Omka: Roman (German Edition)
zu Josef, der die Augenbrauen hochzog, und wieder zum Weinregal.
»Einen Moment«, sagte sie, huschte zum Regal, nahm eine Flasche heraus, kam zurück und hielt sie ihm freundlich lächelnd entgegen.
»Prosecco Valdobene«, stand auf dem Etikett und darunter »Litschi«.
»Nein, ich meinte Champagner«, sagte Josef, »das ist Prosecco mit – das ist ja schrecklich!«
Der Kassiererin schien etwas einzufallen. Sie stand eilig auf und ging schnellen Schrittes zu einer Tür, die sie mit einem der zahlreichen Schlüssel an ihrem Bund, von dem eine kleine Stoffmaus mit großen Ohren und Füßen herunterhing, aufsperrte und darin verschwand. Das Licht ging an, und Josef hörte das Klirren von Flaschen und Geräusche von Karton und Plastik. Das Licht ging wieder aus, Anita kam heraus, eine grüne Flasche mit blauem Etikett in der Hand, und freute sich.
»Hier, bitte«, sagte sie, »gefunden.«
Josef kannte die Flasche mit dem blauen Etikett und wünschte sich ein orangefarbenes.
»Besser, guten Sekt als schlechten Champagner«, hatte sein Vater immer gesagt, aber diesmal war es Josef egal. Die Kassiererin zog den Strichcode der Flasche durch das rote Licht an der Kasse und auf der Anzeige erschien in grünen Buchstaben: 17 , 99 .
Als Josef den Preis bemerkte, verging ihm mit einem Schlag die Lust auf alles. Das Gefühl des Besonderen, das er sich doch unbedingt bewahren wollte, zerbrach zu Staub, und er sah nur noch Schmutz, Banalität, Alltagstrott und erzwungene Sensationen, die keine waren. Er wollte heimfahren und ins Bett gehen. Nachdem er bezahlt hatte, nahm er die Flasche und stellte fest, dass sie nicht gekühlt war, aber es war ihm egal.
»Vielen Dank fürs Suchen, Frau … Frau …« Er blickte auf ihr Namensschild.
»Frau Anita«, sagte er mit einiger Überwindung, denn es war ihm peinlich.
»Gern geschehen«, sagte sie, und er steckte ein paar Münzen vom Kleingeld in eine Sparbüchse in Form einer Kaffeetasse, auf der »Anita« stand.
»Alles Gute und ich halte Ihnen die Daumen, so schlimm wird es nicht werden, glauben Sie mir.«
Josef verstand kein Wort, er war noch damit beschäftigt gewesen, die Rechnung und das Wechselgeld in seiner Brieftasche zu verstauen und sich die warme Flasche unter den Arm zu klemmen, obwohl er sie am liebsten stehengelassen hätte. Neben der Tür bei den Rosen.
Als er nach Hause zurückkam und die Tür öffnete, den billigen Champagner unter den Arm geklemmt, war das Erste, das er hörte, Geschrei. Es war Jonas, der laut weinte, und er hörte Schritte. Omka lief oben im Kinderzimmer umher, wahrscheinlich trug sie ihn herum und wiegte ihn. Sein Blick fiel auf die Plastiktaschen, die Omka in der Küche stehengelassen und vergessen hatte, ein Karton war darin zu sehen mit dem elegant-geschwungenen Schriftzug
Ballerinas
darauf. So wichtig Omka die am Vortag gekauften Dinge noch auf dem Heimweg gewesen waren, so gleichgültig waren sie ihr jetzt.
In einer Hand hatte Josef seinen Mantel, und unter diesem Arm war die Flasche eingeklemmt, in der anderen hatte er die Schlüssel, die er gerade ans Schlüsselbrett hängen wollte, ging ungeschickt in die Hocke, die Flasche rutschte unter seinem Arm weg auf den Boden, und er entschloss sich, einfach alles fallen zu lassen, weil schließlich nichts passieren konnte. Er nahm den Karton heraus, eine Schuhschachtel und öffnete ihren Deckel. Das Erste, was er sah, war weißes, knisterndes Einwickelpapier, dünn und vielversprechend. Aus Neugierde stellte er die Schachtel auf den Boden und hob das, was da sorgsam eingewickelt war, heraus. Oben weinte Jonas zwar immer noch, aber Josef konnte hören, dass er sich etwas beruhigt hatte, und Omkas Schritte wurden auch langsamer. Er zog das milchweiße, knisternde Papier auseinander und sah etwas beißend Rotes grell aus der Schachtel leuchten, das ihm in die Augen stach. Es waren Omkas neue Schuhe. Josef besah sie von allen Seiten, befühlte das Material und dachte daran, dass Omka doch sonst nicht so einen schlechten Geschmack hatte, ihm schon mehrmals aufgefallen war, dass Rot an ihr nicht schön aussah, und als er das Preisschild sah, fiel er aus allen Wolken. Nicht dass er keinen Sinn für elegante Kleider oder Schuhe hatte, nicht dass er es nicht verstand, dass Frauen manchmal eben viel Geld für solche Sachen ausgaben, aber das, was er da vor sich sah, schlug dem Fass den Boden aus. Zum Glück fiel ihm an dieser Stelle aber der Champagner wieder ein, und er stand
Weitere Kostenlose Bücher