Omnia vincit amor - Liebe besiegt alles
Himmel und färbte sich blutrot.
»Was zum …«, stammelte der Nachrichtensprecher. Die Kamera zeigte Melina Lavie, deren weißes Empirekleid voller Blut war. Mit feuerroten, irislosen Augen presste sie den Nacken des Abtrünnigen an ihren Mund und saugte gierig daran. Es sah beinahe so aus als würde sie seine Wirbelsäule mit den Zähnen zerbeißen. Ich sah zu Ana und Roman, die beide mit geöffnetem Mund und ungläubig aufgerissenen Augen den Fernseher anstarrten.
»Oma?«, fragte Anastasija zittrig. Melina Lavie im Blutrausch, ich traute meinen Augen nicht. Emilias Mutter war für mich nie ein Raubtier gewesen, aber jetzt …
»Da, da ist noch eine Frau«, rief der Nachrichtensprecher, »sie muss mit der Vampirin im weißen Kleid gekommen sein.« Die Kamera suchte wackelnd nach der Frau und als sie ins Bild kam, brach ich zusammen. David fing mich auf und zog mich in seine Arme. Es war unsere Mutter, die da um ihr Leben rannte. Ihre Kleider zerrissen und ihr Körper verformte sich, als sie ihre Pferdegestalt rief. Sie wurde schneller und kräftiger. Der Kies wirbelte hinter ihren Hufen nur so auf.
»Unglaublich«, war das einzige, was dem Moderator dazu einfiel. Die Kamera zeigte wieder eine Totalaufnahme der Villa, als plötzlich Tiere aus allen erdenklichen Öffnungen kamen. Vögel flogen durch die Fenster, Hunde, Katzen, Pferde und andere Vierbeiner stürmten aus der Eingangstür oder sprangen durch Fenster im Erdgeschoss.
»Als ob jemand im Zoo alle Käfige geöffnet hätte.« Der Nachrichtensprecher war wirklich kreativ. »Es muss sich hierbei um die zahlreichen, gefangenen Gestaltwandler handeln.«
»War Papa dabei?«, wollte David wissen und suchte verzweifelt das Bild ab. Mich beunruhigte im Moment mehr, dass sie alle an der sich im Blutrausch befindlichen Melina vorbei rannten, doch die Vampirin ließ sich von ihrer Beute nicht abbringen. Zum Glück.
»Da!«, schrie Anastasija. »Da war ein Hund, genau wie euer Vater.«
Ich erkannte nichts, aber ich vertraute Anastasijas Augen. Die Flut von Tieren ebbte ab und die Kamera zeigte Melina, die immer noch über ihr Opfer gebeugt war. Ich fragte mich, warum sich der Abtrünnige nicht wehrte?
»Oma Melina ist alt«, antwortete Anastasija und sah mich an. »Sehr alt. Er ist ein Säugling im Vergleich zu ihr und er ist verletzt.« Dazu war sie noch im Blutrausch. Melina sah auf und leckte sich die Lippen. Ihre raubtierhaften Augen suchten die Umgebung ab.
»Sie müsste sich jetzt eigentlich beruhigen«, sagte Ana unsicher.
»Es lauert zu viel Gefahr um sie herum«, nuschelte Roman und rieb sich die Schläfen. Dann war Melina so schnell verschwunden, dass es die Kamera gar nicht erfassen konnte.
»Oh, oh«, sagte ein Vampir irgendwo hinter mir. Ich sah mich um und fand einen, der wieder recht fit wirkte. Schnell ergriff ich seine Hände und flehte ihn mit meinen Augen an.
»Bitte, bitte, kannst du meine Familie hierherholen?«
Er nickte und verbeugte sich schnell, dann war er verschwunden.
» Mamă «, rief Roman erleichtert aus. Ich sah zum Fernseher und beobachtete, wie Eva Groza in einem engen, schwarzen Kleid zur Tür hinausschritt. Sie schien alle Zeit der Welt zu haben und zupfte sich irgendetwas, das wie Haut aussah, von den Armen. Traian schlenderte hinter ihr her und hatte noch Zeit, seiner Frau mit einem Grinsen auf den Lippen einen Klaps auf den Hintern zu geben. Der Kampf war anscheinend gelaufen.
»Da waren kaum Vampire«, berichtete meine Mutter bei einer Tasse Tee und küsste immer wieder Michaels Kopf, »aber eine Menge Hexen. Sie hatten uns so überrascht, dass sie einen Bann über uns gesprochen hatten, bevor wir uns verwandeln konnten.«
Ich hatte auch das Gefühl, verhext worden zu sein. Meine Glieder waren so steif, dass ich gelegentlich ihre Beweglichkeit testete.
»Ich habe nicht schlecht gestaunt, als uns Werwölfe zu Hilfe eilten«, gluckste Papa und fuhr sich durch die Haare. Roman zog mich zur Seite. Ich folgte ihm in das Arbeitszimmer von Evas Vater. Es war wirklich winzig, aber bot dank einem großen, ordentlichen Schreibtisch genug Platz zum Sitzen, wenn man nicht unbedingt auf Stühle bestand. Ich hätte ja auch den Schreibtischstuhl nehmen können, aber darauf lag ein Stapel Papier, den ich nicht durcheinanderbringen wollte und ich musste mich setzen, da ich sonst wie ein Schweizer Taschenmesser zusammengeklappt wäre. Ich traute meinen Beinen, in deren Knochen die Angst steckte, einfach nicht.
»Ich hatte noch
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