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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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an, der nickte.
    „Weit weg von hier. Auf der anderen Seite des Sees, an der Nordspitze.“
    An der Spitze ? Ondragon spürte, wie ihm heiß wurde. Da war er doch gestern gewesen! „Dieser Vorfall“, sprach Dr. Arthur weiter, „hat aber nicht das Geringste mit der Lodge zu tun. Bei der Leiche handelt es sich um niemanden von hier, so viel ist sicher.“
    „Haben Sie den Toten identifiziert?“
    „Nein.“
    „Und wie können Sie dann sicher sein, dass es keiner von hier ist?“, beharrte Shamgood.
    Ondragon blickte zu dem Modedesigner hinüber und wunderte sich über dessen erstaunlich folgerichtige Fragestellung.
    Dr. Arthur seufzte hörbar.
    „Nun, das klingt vielleicht etwas banal, aber wir sind ja noch alle vollzählig, oder?“ Der Psychotherapeut machte eine umfassende Geste, die alle Anwesenden mit einschloss, und schickte ein charmantes Lachen hinterher. Einige der Gäste lachten gleichfalls.
    „Aber … heißt das nicht trotzdem, dass hier ein Mörder herumläuft?“, rief erneut jemand dazwischen, und das Lachen verstummte.
    Ondragon sah, wie sich allmählich Ungeduld in Dr. Arthurs Haltung schlich. Wieder warf er dem Polizisten einen Blick zu, der - rein optisch gesehen - ein typischer Vertreter der Gattung „Junger Hilfsscheriff vom Lande“ war. Khakifarbene Uniform, ein breites, vom Rasieren gerötetes Bauerngesicht, flackernder Blick und wichtigtuerische Haltung. Breitbeinig und mit in den Gürtel gehakten Daumen übernahm er das Wort.
    „Ladies und Gentlemen, mein Name ist Deputy Hase und ich leite diese Untersuchung. Bis jetzt gibt es keinerlei Grund zur Unruhe. Der oder die Tote liegt schon etwas länger dort draußen, und deshalb ist es schwierig, die genaue Todesursache festzustellen.“
    Schon etwas länger ? Ondragon überlegte fieberhaft. Warum hatte er die Leiche dann nicht gesehen? Ihm kam der Gestank in den Sinn. Vielleicht war es Verwesungsgeruch gewesen, was da so übel die Luft verpestet hat, und der Bär war davon angelockt worden. Aber was hatte dann dieses merkwürdige Netz mit dem toten Vogel zu bedeuten? Hatte die Polizei das auch gefunden?
    „Zurzeit macht der Medical Examiner noch einige Tests“, setzte Deputy Hase seine Erklärung fort, „aber alles scheint darauf hinzudeuten, dass es einen tragischen Unfall gegeben hat. Es läuft also kein Mörder da draußen herum, Sie können ganz unbesorgt sein. Ich will Sie aber dennoch darum ersuchen, heute das Haus nicht zu verlassen. Das ist lediglich eine Sicherheitsmaßnahme, die gewährleisten soll, dass die Arbeit der Polizei nicht gestört wird. Wir werden Sie informieren, wenn es etwas Neues gibt. Vorerst gilt also: Ruhe bewahren und abwarten.“ Der Deputy wandte sich an Dr. Arthur, der zuerst auf seine antike Taschenuhr sah und dann in die Runde.
    „Leider fallen die restlichen Sitzungen für heute aus. Ich bitte Sie deswegen vielmals um Verzeihung, aber die Polizei muss ihren Job machen, und ich habe noch einige Fragen mit dem Deputy zu klären. Der Zeitplan morgen wird zugunsten der Benachteiligten von heute geändert. Sie werden von Sheila benachrichtigt, wann Ihre neuen Sitzungen stattfinden.“ Damit nickte Dr. Arthur Deputy Hase zu und schlug den Weg nach oben in sein Büro ein.
    Ondragons Gedanken überschlugen sich, während er versuchte zu rekapitulieren, was er gestern an der Spitze des Sees erlebt hatte. Vielleicht sollte er sofort mit der Polizei sprechen und ihr sagen, was er gesehen hatte. Womöglich hatte er unbewusst Spuren am Leichenfundort hinterlassen, die ihm früher oder später zugeordnet werden würden. Außerdem wusste Frank, der Gärtner, dass er gestern dort gewesen war. Er hatte es ihm heute Vormittag ja selbst erzählt. Es würde nicht lange dauern, bis das herauskäme, und dann steckte er mitten in der Scheiße. Dabei hatte er nichts damit zu tun.
    Immer noch an die Türfüllung gelehnt schaute er den anderen Gästen nach, wie sie sich murrend zerstreuten. Für sie war die Show vorbei. Sie würden sich gedulden müssen, bis es neues Futter für ihre Sensationslust gab. Er jedoch nicht!
    Rasch stieß Ondragon sich vom Türrahmen ab und setzte sich in Bewegung. Er würde nicht hier herumsitzen und darauf warten, dass ihm die Informationen bröckchenweise vorgeworfen werden würden. Er war es gewohnt, die Initiative zu ergreifen. Er würde selbst herausfinden, was passiert war. Schließlich konnte man ihn nicht dazu zwingen, hier im Haus zu bleiben, auch wenn die Polizei das angeordnet

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