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Ondragon - Menschenhunger

Ondragon - Menschenhunger

Titel: Ondragon - Menschenhunger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Strohmeyer Anette
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wer hinter ihm stand. Es war Mr. Lyme. Sofort entschuldigte sich der Makler mit unterwürfigem Gebaren: „Verzeihen Sie, Mr. Ondragon. Darf ich mich kurz zu Ihnen setzen?“
    Zu verdutzt, um abzulehnen, bot Ondragon ihm den Stuhl gegenüber an, und Lyme glitt aalgleich auf seinen Patz wie ein Mann ohne Knochen. Er trug ein kurzärmeliges Hemd und trotz der Wärme darüber einen Pullunder in hellblau, den seine Mutter ausgesucht haben könnte. Seine blassblauen Augen - eigentlich war alles an ihm etwas unscharf, so als betrachtete man ihn durch eine Milchglasscheibe - blinzelten unsicher hinter den Brillengläsern, und seine dünnen Finger knibbelten nervös an der Tischdecke. Eine absolut erbarmungswürdige Kreatur, was er auch durch jede seiner überfunktionellen Schweißporen ausströmte. Leider verspürte Ondragon herzlich wenig Bedürfnis, sich mit ihm zu befassen. Doch da er nun einmal an seinem Tisch saß, konnte er auch nicht einfach aufstehen und gehen. Um das Ganze zu beschleunigen, begann er im geschäftsmäßigem Tonfall: „Was kann ich für Sie tun, Mr. Lyme?“
    „Ich … ich“, druckste der Immobilienmakler aus Manhattan herum. Er räusperte sich, zog ein kariertes Taschentuch hervor und tupfte sich die Stirn.
    Wie konnte dieser Nerd Luxus-Appartements an die Reichen und Schönen vom Big Apple verkaufen? Der brachte ja nicht einmal einen geraden Satz heraus. Geduldig faltete Ondragon die Hände auf dem Tisch.
    „Also ich würde Sie gerne etwas fragen, Mr. Ondragon.“
    Wenigstens sprach er seinen Namen richtig aus. Punkt für Lyme. „Nur zu.“
    „Ich habe gehört, dass Sie noch einmal mit der Polizei gesprochen haben, und, wie soll ich es sagen, es heißt, dass Sie vielleicht mehr wissen als wir anderen.“
    „Und was sollte das sein?“ Ondragon wusste, dass er es Lyme einfacher machen würde, wenn er den Verständnisvollen spielte, doch dazu hatte er keine Lust. Dieser Typ war ihm durch und durch unsympathisch.
    „Nun, ich bin ja gestern nur kurz von Deputy Hase befragt worden, und konnte ihm nicht viel zu der Leiche im Wald berichten, aber es wird erzählt, dass ein menschenfressender Bär da draußen herumläuft, eine Bestie. Stimmt das?“
    Ondragon zögerte. Wenn er Lyme erzählte, was er wusste, und dieser es an alle anderen Gäste multiplizierte, könnte das womöglich eine Panik auslösen, und das war bestimmt nicht in Dr. Arthurs Sinne. Außerdem hatte er noch nicht herausgefunden, warum der Makler in der CC Lodge zur Behandlung war. Klar sah Lyme harmlos aus, aber er war hier, und das allein war ein Indikator dafür, dass er irgendeinen Sprung in der Schüssel haben musste.
    „Warum möchten Sie das wissen?“, fragte Ondragon ihn.
    Lyme wand sich sichtlich. Seine langen Finger verkrampften sich um das Taschentuch wie zwei große, rosige Spinnen.
    „Es … es ist wichtig für mich.“
    „Wichtig?“
    „Ja … ich werde es auch nicht weitererzählen!“, fügte Lyme beflissen hinzu und zeigte eine Reihe gelblicher Zähne, das Reptilienlächeln eines Maklers - wenigstens das beherrschte er.
    „Ich kann Ihnen aber leider nicht viel sagen, Mr. Lyme, schließlich weiß nicht einmal die Polizei, wer oder was den Mann im Wald umgebracht hat.“
    „Aber er wurde doch getötet und aufgefressen. Es war kein Unfall, nicht?“
    Lyme hatte wirklich einen Knall.
    „D-das heißt doch, d-dass da draußen etwas ist, das Menschen frisst“, fuhr der Makler aufgeregt fort. Schweiß perlte ihm von der Stirn.
    Plötzlich ging es mit Ondragon durch. Er neigte sich vor und flüsterte: „Und Sie verraten ganz sicher nichts, ja?“
    „Sie haben mein Wort!“ Lyme streckte ihm eine verschwitzte Hand entgegen.
    Ondragon ignorierte sie. „Gut. Es ist nämlich so, dass ich zufällig ein Gespräch zwischen dem Deputy und dem Medical Examiner mitgehört habe. Dabei ging es um eine Art Bergmonster, das hier in den Wäldern hausen soll.“ Er hielt kurz inne, um zu sehen, ob Lyme den Köder schluckte. Der Makler lauschte begierig und mit halb geöffnetem Mund.
    „Auch die Indianer beten ihn an, den Wendigo! Er ist auf ruheloser Suche nach Menschenfleisch, immer hungrig! Wenn ich Sie wäre, dann würde ich vorerst nicht rausgehen, so lange das Ungeheuer dort sein Unwesen treibt.“
    Lyme lächelte in seltsamer Verzückung. „Also ist es wahr“, murmelte er schließlich. „Es ist wahr.“ Er erhob sich und steckte sein Taschentuch weg. „Vielen Dank, Mr. Ondragon, Sie haben mir sehr geholfen. Einen

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