Ondragon: Totenernte: Mystery-Thriller (German Edition)
STOP!“
Nun gut, du Nervensäge. Dann mal los, dachte er mit einem bissigen Grinsen und begann mit der aufmunternden Melodie von Indiana Jones im Kopf seinen Inspektionsgang durch das hüfttiefe Wasser. Er umrundete jeden Betonpfeiler und suchte ihn nach eingelassenen Eisen-Sprossen ab.
Bei Pfeiler Nummer sieben wurde ihm erneut schwarz vor Augen, und er brauchte eine Weile, bis er weitergehen konnte. Anstatt in seinem Darm rumorte es nun in seinen Gedanken. Es konnte natürlich auch sein, dass Per ihm einen letzten bösen Streich gespielt hatte. Als Ironie des Schicksals sozusagen. Er hatte ihn hierher zum Highway gelockt, damit er mit Blick darauf verrecken konnte. Ein finaler Arschtritt! Pers Rache.
Ondragon hob den Kopf. „Wenn es das war, was du wolltest, dann hast du es geschafft. Bist du nun zufrieden?“, schrie er laut gegen die Brücke.
Klack, klack.
„Ist schon gut, du hast gewonnen.“ Er schloss die Augen, doch bevor tröstliche Schwärze ihn einhüllte, nahm er noch etwas wahr. Eine Struktur aus waagerechten Strichen. Er riss die Augen wieder auf und stellte fest, dass er sich nicht getäuscht hatte. Dort am gegenüberliegenden Pfeiler waren Eisensprossen eingelassen. Schnurgerade führten sie nach oben.
Hastig watete Ondragon zu der Leiter und begann mit dem Aufstieg. Dabei musste er öfter verschnaufen, als ihm lieb war, denn seine Arme vermochten ihn kaum noch zu halten. Wie ein schlapper Affe hing er an der Sprosse und wagte es nicht, nach unten zu schauen. Stattdessen heftete er seinen Blick an die Unterseite der Autobahnbrücke.
Es sind nur noch ein paar Yards. Du schafft das!
Er biss die Zähne zusammen und zog sich weiter nach oben. Kurz bevor er den Übergang zu dem Betongeländer erreichte, zwangen ihn seine schwindenden Kräfte dazu, noch einmal zu verschnaufen. Gerade mal eine Körperlänge trennte ihn noch von der Straße. Laut schwappte der Verkehrslärm zu ihm hinunter. Unter großer Mühe langte er nach der nächsten Sprosse und wäre beinahe abgerutscht. Doch es gelang ihm, sich mit zwei Fingern eisern an das rostige Metall zu klammen und so einen tödlichen Absturz zu verhindern. Heiß schoss das lang ersehnte Adrenalin durch seine Nervenbahnen und rüttelte ihn wach. Ondragon streckte seinen Arm und drückte sich mit seinen vor Anstrengung zitternden Beinen hoch.
Endlich hatte er den oberen Rand der Betonbrüstung erreicht und hievte sich stöhnend auf die andere Seite. Wie ein nasser Sack fiel er auf den heißen Asphalt.
Hupend rauschte ein Pickup an ihm vorbei.
Benommen stemmte sich Ondragon auf die Beine und winkte den vorbeifahrenden Autos um Hilfe. Schlurfend und sabbernd wie ein willenloser Zombie.
Doch niemand hielt an.
Das war nicht weiter verwunderlich. Eine vollkommen verdreckte Gestalt torkelte mit nur einem Schuh über den Highway und das mitten im Nirgendwo. Die Hilfsbereitschaft der Amerikaner in allen Ehren, aber nicht einmal Ondragon hätte in dieser Situation angehalten.
Resigniert blickte er die Fahrbahn entlang, die sich scheinbar endlos in beide Richtungen bis zum flachen, menschenleeren Horizont des Sumpflandes erstreckte. Er seufzte ergeben. Wenn das Schicksal es wollte, dass er lief, dann würde er eben laufen.
Schleppend setzte er sich in Gang und befand sich bereits wenige Augenblicke später in einem gleichgültigen Trott. Seine Sinne schalteten ab, und immer gedämpfter drang das Klacken der Brückenschwellen in sein Bewusstsein.
Klack, klack. Klack, klack. Klack, klack.
Plötzlich hörte er ein raues Hupen, und kurz darauf hielt ein Polizeiauto mit Blaulicht neben ihm an. Das Fenster auf der Beifahrerseite wurde heruntergekurbelt und ein Police Officer steckte seinen Kopf heraus. „Brauchen Sie Hilfe, Sir?”
Ach, nee!
„Sir, können Sie mich hören?“
Es kostete Ondragon unglaubliche Anstrengung, seinen Trott zu unterbrechen und sich dem Officer zuzuwenden. Sein Mund öffnete sich und gleichzeitig überfiel ihn die Sorge, seine Stimme könnte versagen. Doch seine Furcht war vollkommen unbegründet, denn laut und deutlich hörte er sich sagen:
„Da seid ihr ja endlich, ihr Penner!“
17. Kapitel
13. Februar 2010
New Orleans, Louisiana
8.30 Uhr
Ondragon ließ sich von einem Streifenwagen zum Royal Sonesta Hotel fahren. Er hatte die Nacht im Krankenhaus am Tropf verbracht und sich heute früh selbst entlassen, obwohl sich sein Verdauungstrakt noch nicht vollständig beruhigt hatte, und sein Gesicht wegen des bösen
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