Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Oneiros: Tödlicher Fluch

Oneiros: Tödlicher Fluch

Titel: Oneiros: Tödlicher Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
gab es einen einsamen Verteidiger, der Jester in Schutz nahm und sich an die gute Zeit erinnerte. Aber es gab die Lüge, die Durga zunichte gemacht hatte.
Wie oft belog er mich noch? Darf ich denn Bent alles glauben, was er erzählt?
    Arctander warf ihm einen abschätzenden Blick zu. »Wie gut kennst du deinen Kumpel Darling?«
    »Ich dachte, ihn gut zu kennen. Was mir im Moment fehlt, sind genug Informationen, um einen Überblick über diese ganze verworrene Situation zu haben.«
    »Der fehlt mir auch.« Arctander seufzte und hielt sich nach wie vor die Stelle mit der Beule.
    »Finden wir es zusammen raus.« Konstantin ging in die Hocke und suchte den Blick des Narkoleptikers, der nicht mehr ganz so übermüdet aussah. Trotzdem täten ihm eine Dusche und frische Kleider gut. »Was war los?«
    »Darling hat mich aufgesucht, nachdem … das mit meiner Familie passiert ist«, erzählte er stockend. »Ich bin aus Idre sameby, einem samischen Dorf in Südschweden. Wir verdienten unser Geld mit Rentierzucht … bis zu dem Tag …« Er seufzte schwer. »Die Narkolepsie war nie richtig gefährlich. Ich hatte ein- bis zweimal im Jahr einen Anfall, und der dauerte höchstens Sekunden. Kataplexie, ja, das kam schon mal vor, doch wir hatten es im Griff. Es lag an der Kälte, dass es nicht schlimm war, denke ich. Doch an
dem
Tag war es ein heftiger Anfall. Ich fiel bei voller Fahrt von meinem Snowbike. Wir trieben gerade die Herde weiter nach Süden, weil die Touristensaison im Skigebiet … egal. Ich lag im Schnee, konnte mich nicht bewegen und dachte noch: Prima, jetzt bricht die Herde auf meiner Seite aus, und wir können von vorne anfangen. Dann wurde ich unvermittelt noch müder und schlief ein.« Arctander lehnte den Kopf nach vorne. Man sah ihm an, dass er sich schämte für das, was geschehen war. »Ich dachte, ich würde ein Knistern hören, wie von splitternden Eisplatten. Als ich aufwachte, war es dunkel. Still.«
    Konstantin konnte sehr gut nachvollziehen, wie er sich gefühlt hatte. Das Knistern kannte er von seiner eigenen Gabe. Es erklang, sobald er einschlief und der Tod heranraste, um alles Lebendige zu töten.
    Arctander schluckte nervös. »Ich fand mein Skimobil, das ein paar Meter weiter gegen eine Birke gerast war … und … daneben kauerte mein Schwager. Ich rannte hin und stellte fest, dass er tot war. Ich … suchte meine Taschenlampe und leuchtete umher, um nach seinem Skimobil zu schauen, damit …« Die Atmung des Schweden beschleunigte sich. »Sie lagen um mich herum«, flüsterte er mit aufgerissenen Augen. »Meine Schwester, meine Frau und meine beiden Söhne, und überall um sie herum verendete Rens. Die Tiere lagen in einem sauberen Kreis, ausgestochen aus dem Leben, und ich hatte im Mittelpunkt geschlafen. Ich bin wie ein Todesmagnet.« Er keuchte auf und schlug die Hände vors Gesicht.
    Konstantin fürchtete, dass der nächste Anfall drohte, doch er wollte alles hören. »Danach kam Darling?«
    »Ja«, sagte er undeutlich in die hohlen Hände. »Der Vorfall ging durch die lokale Presse, aber der MI 6 verhinderte, dass die Meldung weitere Kreise zog. Darling stellte sich bei mir vor und eröffnete mir, was geschehen war und was ich bin: ein Todesschläfer.«
    Konstantin überlegte. Er schätzte den Schweden auf Mitte vierzig, aber er glaubte kaum, dass der Tod seiner Familie länger als ein paar Jahre zurücklag.
Ich habe noch nie gehört, dass der Fluch so spät ausgebrochen ist.
»Wie alt waren Sie da?«
    »Das ist vor drei Jahren passiert. Da war ich … zweiundvierzig.« Arctander ließ die Arme hängen, seine Finger zeichneten Muster in den Dreck auf dem Hallenboden. Staub und Erde blieben an den feuchten Fingern haften, panierten sie grau und rotbraun.
    »Gab es keinerlei Vorboten auf das Unglück?« Konstantin hatte Mitleid mit dem Schweden. Es geschah nicht selten, dass ein Familienmitglied zu den ersten Opfern eines Todesschläfers gehörte, aber gleich die ganze Familie, mitsamt den Kindern.
Armes Schwein.
»Tote Insekten im Schlafzimmer oder …?«
    Arctander sah geradeaus. »Ich weiß es nicht. Keine Ahnung. Selbst wenn, was hätte ich daraus schließen sollen?« Er atmete tief ein und aus. »Darling nahm mich mit nach England, brachte mich irgendwo auf dem Land in der Nähe von London unter. Es folgten in den Monaten darauf eine Anamnese, Untersuchungen mit elektrischen und elektronischen Gerätschaften, Sonden auf dem Kopf, Kernspin und alles, was man sich vorstellen

Weitere Kostenlose Bücher