Oneiros: Tödlicher Fluch
ich.«
Konstantin ging langsam rückwärts. Vorerst fügte er sich den Anweisungen, um Sastre nicht zu gefährden.
Der Mann ist die Pest.
Er sah den Torschlüssel in Thielkes linker Hand.
Zu seiner Erleichterung unternahm der vor Nervosität zitternde Arctander ebenfalls nichts. Zu dritt pferchten sie sich in der Ecke auf der Bank zusammen.
Thielke blieb in sicherer Entfernung stehen, die Mündung der Waffe auf die Gruppe geschwenkt. »Dass ich das noch erleben darf.« Er klang erleichtert. »Bent Arctander, tausendfacher Mörder und der stärkste Todesschläfer der Welt, zusammen mit Kollege Korff, der sich als ehemaliger Sünder am normalen Leben versucht«, charakterisierte er sie knapp. »Schicke Runde, was?«
Konstantin sah zu Sastre, die unverletzt zu sein schien. »Wie geht es Ihnen?«, fragte er leise und strafte Thielke mit Missachtung. »Hat er Ihnen was getan?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«
»Nein«, bekräftigte Thielke. »Warum auch? Sie ist keine von uns. Eigentlich ist sie genau das Gegenteil von uns. Ich wäre ja dämlich, die gute Ärztin zu verletzen, schließlich kann sie euch dazu verhelfen, fast normale Menschen zu werden.« Der LeMat senkte sich trotzdem nicht. »Ich brauche sie nur als Druckmittel, damit ihr keine Faxen macht und euch auf einen halbblinden, lahmen Krüppel wie mich stürzt.« Er lachte. »Die Donna und ich unterhielten uns ein bisschen, und ich lernte neue Dinge. Spannende Dinge. Weil ich kein Unmensch sein möchte, werde ich es auf einen Versuch mit den Steinen ankommen lassen. Sollte sich herausstellen, dass sich der Schnitter tatsächlich damit zufriedengibt zu wissen,
wo
ihr seid, soll es mir recht sein. Es würde mir viel, nein,
sehr
viel Arbeit ersparen.«
Das hört sich gut an.
Konstantin entspannte sich etwas. »Erklären Sie uns, welches Spiel Sie treiben, Thielke? Dass Sie ein Todesschläfer sind, habe ich verstanden. Aber warum haben Sie mich verfolgt?«
Thielke legte den Kopf schief, zog ein Benzinfeuerzeug aus der Tasche und entzündete seine Zigarre, paffte und spie Qualmwolken aus dem Mund. »Sie haben recht. Ich sollte Ihnen ein wenig von mir erzählen, damit Sie verstehen, dass ich nicht primär ein Feind bin. Wenn die Sache mit den Gevattersteinen funktioniert, kann ich mich eh zur Ruhe setzen – sofern die Todesschläfer geschlossen mitziehen.« Er sog mehrmals am Stumpen. »Ich gehörte zu
Schlafes Brüder.
Aber ich hatte keine Lust mehr. Wie Sie, Korff. Ich wollte keine Menschen mehr töten, egal, ob sie gut oder schlecht waren. Über ihren Tod sollte ihr Schicksal entscheiden, nicht ich oder ein anderer Todesschläfer. Wir benahmen uns wie Götter.« Er zog einen Stuhl zu sich und setzte sich, mit der freien Hand massierte er das rechte Bein. »Ich forschte, ich kam auf den Halbhirnschlaf, um den Schnitter nicht zu rufen, sobald ich eindöse. Über Details können wir bei Gelegenheit sprechen, das würde jetzt zu lange dauern. Ich verstand, dass es unsere elektrischen Signale sind, die Theta-Wellen, die den Tod rufen. Sobald wir sie aussenden, ist er da. Also bastelte ich mit einem befreundeten Elektroniker an einem Gerät, das wie ein Störsender funktioniert.«
»Sie überwachen Todesschläfer und greifen ein, wenn sie jemanden umbringen wollen«, erriet Konstantin.
Ein Störsender. Abgefahrene Idee.
»Ja. Ich erledige sämtliche Todesschläfer, die den Organisationen angehören und die ich in Ausübung ihrer Macht erwische. Vorher störe ich ihre Theta-Wellen, wofür ich nahe heran muss, damit sie keine Toten anrichten. Die Akkuenergie reicht meistens aus, die Wellen für einige Sekunden zu blocken.« Er tippte auf den Revolver. »Ein extrem großes Kaliber, weil wir ja nicht im eigentlichen Sinn sterben und ich deshalb möglichst großen körperlichen Schaden anrichten muss.« Er schwieg kurz. »Ich tue das nicht gerne, Korff. Aber welche Wahl habe ich? Kann ich zulassen, dass Todesschläfer morden, weil sie sich als Hüter des Gesetzes oder eine eigene moralische Instanz betrachten? Da ich die Frage für mich mit Nein beantwortet habe, handele ich danach. Ich merze diejenigen von uns aus, die größenwahnsinnig geworden sind.«
»Ist das, was Sie tun, nicht dasselbe?«, warf Sastre ein. »Sie spielen sich als Richter der Richter auf. Die höchste Instanz.«
Thielke schenkte ihr ein mildes Lächeln. »Donna, ich diskutiere nicht mit Ihnen. Ich lege meine Motivation dar.« Er zeigte mit dem Revolver auf Arctander. »Mir war klar,
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