Oneiros: Tödlicher Fluch
nicht, dass er sich an seine Abmachungen hält. Das glaubst du doch genauso wenig wie ich.« Er legte eine Hand auf die Klinke. »Du musst dir was anderes einfallen lassen.«
Genau das habe ich vor.
Konstantin machte einen Satz über das Bett hinweg, sprang an Marna vorbei und packte Arctander an der Schulter. »Du bleibst. Ich möchte dich …«
»Nein!« Der Narkoleptiker schlug in Panik mit der Tasche zu.
Konstantins Kampfsportreflexe übernahmen automatisch. Mit einem Aikido-Griff warf er Arctander mit Hilfe seines eigenen Schwungs gegen den Schrank, beim krachenden Aufprall ließ er die Tasche los. Als er zurücktaumelte, hebelte ihn Konstantin ein zweites Mal aus, schleuderte ihn aufs Bett und verpasste ihm einen Faustschlag gegen die rechte Wange, so dass der Schwede ohnmächtig wurde.
Marna hatte sich in eine Ecke zurückgezogen und das Handgemenge verfolgt. Sie steckte die Hände in die Hosentaschen, sah auf den Bewusstlosen, danach auf Konstantin. »Ich bin gespannt, was Sie vorhaben, Korff. Bent wird nicht mehr Ihr Freund sein, wenn er die Augen aufschlägt.«
»Das denke ich auch.« Konstantin zerriss ein Laken und fesselte Arctander an Armen und Beinen, dann knebelte er ihn. Marna siezte ihn, auch nach der Nacht, und tat, als hätte es den Sex, die Leidenschaft niemals gegeben.
Von mir aus.
Er zog das Handy und rief Thielke an, um ihn zu bitten, ins Hotel zu kommen. Der Mann sagte zu.
»Sie haben einen Plan?«, fragte Marna neugierig.
»Ja. Könnten Sie veranlassen, dass wir die Zimmer einen Tag länger bekommen?«
Sie nickte und griff nach dem Zimmertelefon. »Erfahre ich, was Sie vorhaben?«
»Sicher. Sobald Thielke da ist, Frau Herbst. Und ich fürchte, ich muss noch mehr Schulden bei Ihnen und der Börse machen.« Er ignorierte ihren skeptischen Blick, streifte den Bademantel ab und ging ins Bad. »Ich dusche und mache mich frisch. Die Nacht war …« Er brach mitten im Satz ab.
Aber irgendetwas muss ich doch sagen.
»Ich erinnere mich an nichts«, erwiderte Marna rasch und wandte sich ab. »Muss der Rioja gewesen sein.« Sie suchte ihre letzten verstreuten Sachen zusammen. »Sie rufen mich an, sobald Thielke da ist?«
»Ja.«
Sie nickte ihm zu und huschte hinaus.
Konstantin stellte das Wasser in der Dusche an, entfernte das Tuch um seine verletzte Hand.
Er konnte sich sehr gut an die letzte Nacht mit Marna erinnern. An ihre Haut, an ihren Geruch, an ihr Lachen, an ihre Leidenschaft. An all die verwirrend intensiven Gefühle, die er empfunden hatte.
Was wäre passiert, wenn ich Iva früher erreicht hätte, wenn ich in den letzten Tagen mit ihr gesprochen hätte? Jetzt ist sie wegen mir in tödlicher Gefahr.
Er stieg unter die Dusche. Doch die Vorwürfe, die er sich selbst machte, ließen sich mit keinem Wasser der Welt abwaschen.
[home]
XXV
Das wähne nun keiner,
dass er sich nicht entbehren ließ.
Dein Tod oder meiner
macht in der Welt
noch keinen Riss.
Eduard von Bauernfeld
Barcelona, Spanien
K onstantin zog den großen, aluminiumfarbenen Koffer um kurz vor zwanzig Uhr mit viel Kraft auf die runde Plaça de Catalunya. Er schwitzte, trotz der angebrochenen Abendstunden herrschten sommerliche Temperaturen. Er blieb an einem der gusseisernen Trinkwasserspender stehen, nahm einen Schluck und rieb sich mit den feuchten Händen das Gesicht ab.
Neoklassizistische, protzige Gebäude umgaben den Platz, auf dem Springbrunnen rauschten und ihre Kaskaden in den Himmel schossen. Der Bewuchs eines kleinen, parkähnlichen Grünstreifens dämpfte den Lärm des niemals endenden Verkehrsstroms, der in mehrspurigen Straßen um den Platz herumführte.
Für die vielen Besucher erschien dieser Ort sicherlich idyllisch. Das hätte sich geändert, wenn sie wüssten, was für Menschen sich außer ihnen noch hier befanden.
Konstantins Herz pochte laut, weil er nicht nur mit dem Leben von Sastre und Iva spielte. Barcelona besaß mehr als anderthalb Millionen Einwohner, und sie waren hier mitten in der dichtbesiedelten Stadt.
Der Wind drehte und wehte eine erfrischende Gischtwolke von einem der Springbrunnen herüber, die Konstantin benetzte. Er sah sich um und entdeckte an den majestätischen, imposanten Bauwerken der Plaça vor allem die Embleme von Banken. Aus dem Rahmen fiel einzig die Stahlbetonfassade eines modernen Kaufhauses, das zu einer spanischen Kette gehörte.
Dort oben hatte er Marna postiert, die mit einem Fernglas den Platz überwachte, in dessen Mitte ein großer Stern aus
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