Onkel Schwein (German Edition)
Vielleicht lag darin sogar dessen Geheimnis des raschen Erlernens der Sprache. Womöglich sollte ich jetzt eine deutsche Zeitung lesen, dachte Teever, wenn es klappt, können ein paar Brocken Deutsch bei der Zusammenarbeit mit dem neuen Partner nicht schaden. Eine Zeitung hatte man wenigstens in der Hand. Und sie taugte zum Feuer machen. Teever hatte keinen Spaß am Internet. Ein Bildschirm war ohne Seele. Er liebte es, den Text den er las, sei es ein Buch oder eine Zeitung oder besonders Briefe, tatsächlich zu berühren, zu blättern, das Knistern zu hören oder Eselsohren zu knicken (was Catharina gehasst hatte!). Leider schrieb ihm nur selten jemand. Und wenn, wollte man nur sein Geld. Bekam er E-Mails oder fand er einen interessanten Artikel im Web, druckte Teever ihn aus. Seine Kosten für Druckerpatronen waren dementsprechend horrend. Sogar sein Steuerberater hatte ihn dazu verwundert befragt.
Teever klopfte an die Tür.
„Helgi, bist du da?“
Keine Antwort.
Er ging an das Fenster der Hütte, beugte sich ganz eng an die Scheibe und schirmte die Augen mit der rechten Hand gegen das Licht ab. Die Hütte bestand aus einem Raum und einem kleinen Anbau. Niemand war zu sehen. Auf einem kleinen Tisch neben einem breiten und gemütlichen Sessel lag ein großer Stapel Zeitungen.
Seit Helgi bei Teever wohnte, war er noch nie ohne den Isländer in der Hütte gewesen. Überhaupt, fiel Teever jetzt auf, war er überhaupt nur zwei oder drei Mal zu ihm gegangen. Helgi saß meistens auf einer unter ihm winzig wirkenden Bank vor der Tür oder in Teevers Wohnküche.
Es widerstrebte ihm, in die Privatsphäre von Helgi einzudringen; andererseits war er neugierig auf die Zeitungen und schließlich war es immer noch Teevers Hütte. Er beschloss, den Zufall entscheiden zu lassen. Wenn die Tür nicht abgeschlossen war, würde er hineingehen. Er drücke die Klinke herab. Wie erwartet, hatte Helgi nicht verriegelt.
Teever betrat den Raum und sah sich um. Links stand unter dem Fenster eine breite Bettcouch. Davor ein niedriger Kieferntisch. Gegenüber der Tür war eine kleine Küchenzeile mit Spüle, zweiflammigem Gasherd und einem leise brummenden Kühlschrank. Auf einem groben Esstisch mit vielen Gebrauchsspuren sah er ein benutztes Glas und eine Tüte getrockneten Fisch, auf dem Helgi ständig herumkaute. Teever hatte einmal probiert. Einmal zu viel. Isländisches Kaugummi, hatte Helgi gelacht. Es schien das einzige zu sein, was ihn mit seiner Heimat verband. Regelmäßig wurden ihm die Beutel per Paketdienst zugeschickt. Ansonsten bekam er nie Post. Auch nicht aus Island.
Helgi hatte bis auf einen großformatigen Druck eines herzförmigen Mooskissens auf grauem Lavaboden keinerlei Bilder an den Wänden der Hütte befestigt. Das Foto verwunderte Teever ein wenig, wirkte es doch unerwartet zärtlich für den Kerl!
In der Luft lag ein leicht süßlicher Geruch. Tee, vermutete Teever und ging zu dem Beistelltisch mit den Zeitungen. Soweit er beim ersten Überfliegen feststellen konnte, waren es alle Ausgaben von Smålandsposten in chronologischer Reihenfolge. Er setzte sich auf einen der Esstischstühle, die überhaupt nicht zu dem großen Tisch passten und fing an, die sorgfältig gefalteten Ausgaben durchzublättern. Im Schnelldurchlauf registrierte er die Geschehnisse der letzten Wochen. Innenpolitik, Kriege, Naturkatastrophen, eine Entführung, lokaler Fußball von Östers Växjö. Gab es nichts Erfreuliches mehr in der Welt?
Gelegentlich hatte Helgi Kleinanzeigen mit einem gelben Leuchtstift markiert. Zuerst dachte Teever, Helgi wollte etwas kaufen. Dann sah er zu seiner Überraschung, dass es sich um Kontaktanzeigen handelte. So hatte er über den Isländer noch gar nicht nachgedacht. Teevers Neugierde war geweckt. Für einen Augenblick vergaß er den eigentlichen Grund seines Blätterns in den Zeitungen.Viele der Anzeigen waren durch Abkürzungen stark verklausuliert.
„HAL Dev. DWT sucht dom. akt. M., auch MM., f. perv. Erzhg. z. H*** m. v. NS u. Dehng., auch im Stall, T6 usw. Bin 53 J. u. tabul. Will bald nackt vor Dir liegen. Kfi..“
Teever begriff den Inhalt zunächst nicht, doch dann kamen ein paar deutlichere Formulierungen. Und Teevers Überraschung wuchs.
„Oralexperte bis 55 gesucht, stark gebaut.“
„Er sucht behaarten Ihn.“
Helgi ist schwul, dachte er und wunderte sich, dass ihm in diesem Moment durch den Kopf ging, dass der Isländer ohne Körperbehaarung war.
Gedanken schossen durch Teevers
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