Onkel Schwein (German Edition)
mit der Faust gegen die Tür. Das Fensterglas klirrte. Endlich ging die Lampe im Flur an.
Teever hatte den kalten Kaffee in den Ausguss gekippt und sich ein Bad eingelassen.
Das Wasser war so heiß, dass er sich fast verbrühte. Seine blau gefrorenen Füße nahmen die Farbe gekochten Hummers an. Würde er heute mit einer Frau schlafen, bräuchten sie sich um die Verhütung keine Gedanken machen. Seine Spermien würden abgesiedet sein. Doch es war ja sowieso niemand da. Und wenn er sich betrachtete, würde das auch so bleiben. Er lag auf dem Rücken. Langsam stieg der Wasserspiegel. Aus seinem Bauch, der zu seinem Leidwesen nicht mehr so flach war wie noch vor ein paar Jahren, wurde eine Insel mit einem Loch in der Mitte. Wie ein Atoll. Davor ragte ein Riff auf, bestehend aus Hoden und Penis. Ein paar Schamhaare streckten sich noch ans Licht, dann versank Atlantis im schaumigen Meer. Als seine Ohren überfluteten, erinnerte er sich an seine Kindheit. Immer schon hatte er gern im Wasser gelegen und die Umwelt nur noch gedämpft wahrgenommen. Seine Mutter hatte ihm Jahre später einmal erzählt, dass sie deswegen sogar bei einem Arzt gewesen war. Aus Sorge, dass ihr Torbjörn sich womöglich umbringen wollte. Dabei hatte sie ihn unendlich traurig angesehen. Ihm ging es aber immer nur darum, der lauten Welt zu entfliehen. Oft vergeblich, denn manche Geräusche verstärkten sich durch das Wasser. Wie das Geklopfe an der Tür, das ihn aus seinen Gedanken riss.
Lennart! Er schlug sich gegen die Stirn. Es klatschte. Den hatte er ganz vergessen.
Teever stieg aus der Wanne und warf sich einen Bademantel über, der an einem Haken hinter der Tür hing. Er war infolge eines Missgeschicks nicht mehr weiß, sondern rosa.
Er knipste das Licht im Flur an und ging zur Tür.
Öffnete sie. Ein Schwall kalter Luft umfing ihn.
Ein kurzes, unangenehmes Schweigen. Dann:
„Hallo Lennart.“
Sein Freund aus anderen Tagen guckte erstaunt.
„Schicker Fummel.“ Und als Teever nichts sagte: „Darf ich reinkommen?“
„Klar, klar.“ Teever machte eine ausholende Geste. „Geh’ schon mal in die Küche. Ich ziehe mich nur kurz an.“
Axelsson sah ihn fragend an. Stimmt, dachte Teever, du warst ja noch nie hier.
„Letzte Tür links“, fügte er hinzu.
Axelsson. Der zweite Reiter seiner Vergangenheit, dem er in kurzer Zeit begegnete. Erst Catharina, jetzt sein ehemaliger Freund. Teever kam seine Mutter in den Sinn. Auch an sie hatte er lange nicht gedacht.
Teever pfiff leise „Riders on the storm“. Seine Mutter hatte die Titelzeile oft vor sich hin gesummt, obwohl sie ansonsten mit der Musik der Doors nicht viel hatte anfangen können. Er war sich nicht einmal sicher, ob sie wusste, wer Jim Morrison gewesen war. Auch hatte sie nur ein paar Brocken Englisch gesprochen. Wenn sie den Inhalt des Liedes verstanden hätte, wäre es wohl kaum ihr ständiger Begleiter geworden. Teever hatte nie gefragt und sie nie etwas gesagt. Allerdings sprach sie, als er noch jung war, oft von Reitern der Vergangenheit, die auf ihren Pferden vor ihren Erinnerungen zu fliehen versuchen.
„Torbjörn“, hatte sie oft gesagt und dabei ihren langen Zeigefinger erhoben, „Torbjörn, die Reiter schlagen mit ihren Peitschen und treiben die Pferde an, doch ihre Erinnerungen sind in den Packtaschen und kommen immer mit. Egal wie schnell die Pferde galoppieren.“
Teever hatte mit diesem Bild nie etwas anfangen können.
Axelsson war mager geworden. Er wirkte aber nicht wie jemand, der auf gesunden Wegen ein paar überschüssige Pfunde verloren hatte. Eher ausgezehrt. Teever kam es fast vor, als ob er auch geschrumpft wäre. Er sah gar nicht mehr aus wie das Tier an der Winsch.
So hatte Teever ihn immer genannt. Das Tier an der Winsch. Teever hatte den einige Jahre älteren Axelsson in einem Volkshochschulkursus kennengelernt, bei dem beide versuchten, ihr Schulenglisch zu verbessern. Teever, um damit mehr anfangen zu können als ein Bier zu bestellen und Axelsson, um seine beruflichen Chancen zu erhöhen. Eigentlich hätte ihm damals schon etwas auffallen können, hatte Teever später bitter gedacht.
Sie waren sich auf Anhieb sympathisch gewesen, so eine Art Liebe auf den ersten Blick, nur ohne Erotik.
Rückblickend passte ins Bild, dass Axelsson älter war als Teever. Sein bester Freund in Kindertagen war drei Jahre älter gewesen und auch Axelsson hatte ihm nicht nur Erfahrung, sondern auch Jahre voraus gehabt. Manchmal hatte Teever gedacht,
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