Onkel Wolfram - Erinnerungen
ungenutzten, nach hinten gelegenen Raum, ursprünglich eine Wäschekammer, die fließend Wasser und ein Waschbecken, verschiedenene Schränke und Regale hatte. Praktischerweise führte der Raum in den Garten. Wenn ich etwas zusammengebraut hatte, was sich entzündete, überkochte oder gefährliche Dämpfe erzeugte, konnte ich nach draußen stürzen und das Ganze auf den Rasen schütten. Schon bald zeigten sich im Gras Narben und Verfärbungen - in den Augen meiner Eltern ein bescheidener Preis für meine Sicherheit und vielleicht auch die ihre. Doch da sie gelegentlich brennende Kügelchen durch die Luft fliegen sahen und wussten, wie ungestüm und unbedacht ich im Allgemeinen zu Werke ging, blieben sie beunruhigt und drängten mich, meine Experimente sorgfältig zu planen und Vorkehrungen gegen Feuer und Explosionen zu treffen.
Onkel Dave beriet mich eingehend bei der Anschaffung der Gerätschaften. So kam ich zu Reagenzgläsern, Kolben, Messzylindern, Trichtern, Pipetten, einem Bunsenbrenner, Tiegeln, Uhrgläsern, einer Platindrahtöse, einem Exsikkator, einem Lötrohr, einer Retorte, einer Reihe von Spachteln und einer Waage. Er klärte mich auch über die grundlegenden Reagenzien auf -Säuren und Alkalien, von denen er mir einige aus seinem eigenen Labor überließ, dazu einen Vorrat an Flaschen verschiedener Größe, Form und Farbe (dunkelgrün oder braun für lichtempfindliche Chemikalien), mit perfekt passenden Stöpseln aus geschliffenem Glas.
Ungefähr jeden Monat rüstete ich mein Labor durch Besuche in einer Chemikalienhandlung weit draußen in Finchley auf, einem großen Schuppen, der einen gewissen Abstand zu den Nachbarn wahrte (wahrscheinlich weil diese befürchteten, das Lager könne jeden Augenblick explodieren oder giftige Gase absondern). Wochenlang hortete ich mein Taschengeld, gelegentlich ergänzt durch ein Halbkronenstück von einem meiner Onkel, die meine geheime Leidenschaft billigten. Dann ließ ich mich von einer Reihe Zügen und Bussen in den Laden bringen.
Selbstvergessen wie ein Bücherwurm in einer Bibliothek, liebte ich es, in den Schätzen von Griffin & Tatlock herumzustöbern. Die billigeren Chemikalien wurden in riesigen verschlossenen Gefäßen aufbewahrt, die kostspieligeren Substanzen standen in kleineren Flaschen hinter dem Verkaufstisch. Flusssäure - eine gefährliche Substanz, die zum Mattieren von Glas verwendet wurde - konnte nicht in Glas gelagert werden, daher wurde sie in kleinen Spezialflaschen aus gummibrauner Guttapercha verkauft. Unter den dicht gereihten Gefäßen und Flaschen in den Regalen standen große Korbflaschen voll Säure - Schwefelsäure, Salpetersäure, Königswasser; kugelige Porzellanflaschen voller Quecksilber (gut drei Kilogramm davon gingen in eine Flasche von der Größe einer Faust), dazu Scheiben und Barren der gewöhnlicheren Metalle. Bald kannten mich die Ladeninhaber - einen faszinierten, für sein Alter ziemlich kleinen Schuljungen, der sein Geld fest umklammert hielt und Stunden zwischen den Gläsern und Flaschen verbrachte. Zwar warnten sie mich hin und wieder - «Sei vorsichtig damit!» -, gaben mir aber immer, was ich haben wollte.
Zuerst galt meine Vorliebe dem Spektakulären - dem Schäumen, Glühen, Stinken und Knallen, also den Phänomenen, die fast jede erste Begegnung mit der Chemie bestimmen. Einer meiner Leitfäden war J. J. Griffins Chemical Recreations (Chemische Lustbarkeiten), ein Buch aus den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts, das ich in einem Antiquariat aufgetrieben hatte. Griffin schrieb leicht, praxisorientiert und vor allem unterhaltsam. Die Chemie machte ihm offenkundig Spaß, und er präsentierte sie so, dass sie auch für seine Leser vergnüglich wurde. Und diese Leser mussten oft Jungen wie ich gewesen sein, denn es gab Abschnitte wie «Chemie für die Ferien», dazu gehörte «Flüchtiger Plumpudding» («wenn der Deckel entfernt wird… verlässt er die Schüssel und steigt zur Decke auf»), «Ein Springbrunnen aus Feuer» (unter Verwendung von Phosphor - «der Experimentator muss Sorge tragen, sich nicht zu verbrennen»), und «Strahlende Verpuffung» (auch hier wurde der Leser gewarnt: «Zieh deine Hand sofort zurück»). Ein spezielles Rezept (für Natriumwolframat), um Damenkleider und Vorhänge feuerfest zu machen, hatte es mir angetan - waren Brände in viktorianischer Zeit so häufig? Immerhin bekam ich mit seiner Hilfe ein Taschentuch brandsicher.
Das Buch begann mit «Einfachen Experimenten», in
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