Onkel Wolfram - Erinnerungen
Licht erleuchtet seien -, würden meine Augen in ihren Höhlen schmelzen und mir wie Spiegeleier über die Wangen laufen.) [9]
Verhältnismäßig viel Zeit verwendete ich auf die Untersuchung chemischer Farben und ihre spielerische Erprobung. Bestimmte Farben sprachen mich auf eine besondere, geheimnisvolle Weise an - dazu gehörten vor allem sehr tiefe und reine Blautöne. Als Kind hatte ich eine Vorliebe für das kräftige, helle Blau der Fehlinglösung im Medizinschrank meines Vaters, genauso wie für den Kegel aus reinem Blau im Herzen der Kerzenflamme. Nun stellte ich fest, dass ich sehr intensive Blauschattierungen wie Preußischblau mit einigen Kobalt-, mit Kupferammonium- und mit komplexen Eisenverbindungen herstellen konnte.
Doch die geheimnisvollsten und schönsten Blautöne waren für mich diejenigen, die entstanden, wenn man Alkalimetalle in flüssigem Ammoniak auflöste, wie Onkel Dave es mir vormachte. Die Tatsache, dass sich Metalle überhaupt auflösten, fand ich zunächst verwirrend, doch die Alkalimetalle waren alle in flüssigem Ammoniak löslich (einige in erstaunlichem Maße - Zäsium löste sich in einer Ammoniakmenge von einem Drittel des eigenen Gewichts vollständig auf). Wenn ich die Konzentration der Lösungen etwas erhöhte, veränderten sie plötzlich ihren Charakter und verwandelten sich in glänzende bronzefarbene Flüssigkeiten, die auf dem Blau schwammen - und in diesem Zustand leiteten sie Elektrizität so gut wie flüssiges Metall, etwa Quecksilber. Mit den Erdalkalimetallen klappte es genauso gut, wobei es keine Rolle spielte, ob der gelöste Stoff Natrium oder Kalium, Kalzium oder Barium war - in allen Fällen ergaben die ammoniakalischen Lösungen das gleiche tiefe Blau, das auf das Vorhandensein von irgendeinem Stoff, einer Struktur, von irgendetwas Gemeinsamem schließen ließ. Es ähnelte der Farbe von Azurit im Geologischen Museum, reiner Himmelsfarbe.
Viele der so genannten Übergangselemente bewirken bei ihren Verbindungen charakteristische Farben - die meisten Kobalt- und Mangansalze sind rosa, die meisten Kupfersalze tiefblau oder grünblau, die meisten Eisensalze hellgrün und die Nickelsalze von einem dunkleren Grün. In winzigen Mengen verleihen die Übergangselemente auch vielen Edelsteinen ihre besonderen Farben. Saphire sind, wie ich herausfand, chemisch nichts anderes als Korund, ein farbloses Aluminiumoxid, das jedoch jede Farbe des Spektrums annehmen kann. Wird ein wenig Aluminium durch Chrom ersetzt, färbt es sich rubinrot, ein bisschen Titan, und die Farbe wird dunkelblau, bei zweiwertigem Eisen grün, bei dreiwertigem Eisen gelb. Und mit ein bisschen Vanadium beginnt der Korund dem Alexandrit zu ähneln. Dann wechselt er magisch zwischen Rot im Glühlicht und Grün im Tageslicht. Zumindest bei bestimmten Elementen reicht schon eine winzige Beimischung, um eine charakteristische Farbe hervorzurufen. Kein Chemiker könnte Korund derart fein «gewürzt» haben, ein paar Atome von diesem, ein paar Ionen von jenem, und es entsteht ein ganzes Spektrum von Farben.
Soweit ich sehen konnte, gab es nur eine Hand voll solcher «Färbeelemente» - Titan, Vanadium, Chrom, Mangan, Eisen, Kobalt, Nickel und Kupfer waren die wichtigsten. Mir fiel auf, dass sie alle verwandte Atomgewichte hatten - ob dies von Bedeutung oder bloßer Zufall war, entzog sich damals meiner Kenntnis. Immerhin erfuhr ich, dass für sie alle mehrere mögliche Wertigkeitsstufen charakteristisch waren, was sie von den meisten anderen Elementen (die nur eine hatten) unterschied. Natrium verband sich beispielsweise mit Chlor nur auf eine einzige Weise - ein Natriumatom mit einem Chloratom. Hingegen gab es zwei Verbindungen zwischen Eisen und Chlor: Ein Eisenatom konnte sich mit zwei Chloratomen zu Eisen(II)-Chlorid (FeC12) oder mit drei Chloratomen zu Eisen(III)-Chlorid (FeCl3) verbinden. Und diese beiden Chloride erwiesen sich in vielerlei Hinsicht als sehr verschieden, einschließlich ihrer Farbe.
Da Vanadium vier auffällig verschiedene Wertigkeits- oder Oxidationsstufen besaß und sich leicht von einer in die andere überführen ließ, war es ein ideales Element für meine Experimente. Am einfachsten ließ es sich reduzieren, indem man mit einem Reagenzglas voll (fünfwertigem) Ammoniumvanadat in Lösung begann und kleine Klümpchen Zinkamalgam hinzufügte. Das Amalgam reagierte sofort, und die Lösung wechselte die Farbe, von Gelb zu Königsblau (der Farbe von vierwertigem Vanadium). Jetzt
Weitere Kostenlose Bücher