Online Wartet Der Tod
die gemeinsame Zeit mit Stern geschildert hatte, und überlegte, ob da womöglich mehr Wahres dran war, als Stern zugab.
»Und obwohl er so viel wollte, hat er die Firma verlassen?«
»Am Anfang hat er ja noch weiter als Programmierer gearbeitet. Ab und zu hat er mal eine abfällige Bemerkung gemacht, aber im Prinzip hatte ich den Eindruck, dass er darüber hinweg ist. Eines Tages hat er dann gedroht zu klagen. Verdammt, er hat noch ganz andere Sachen angedroht, aber ich habe das alles für heiße Luft gehalten, ich dachte, er lässt einfach Dampf ab. Ich kannte ihn seit fünf Jahren, und er war mir nie gefährlich vorgekommen. Irgendwann habe ich meinen Anwalt veranlasst, ihn herzuholen und ihm eine Einigung vorzuschlagen. Ich habe geschworen, dass ich keinen Penny mehr herausrücken würde, und da hat er Ruhe gegeben. Jedenfalls habe ich das gedacht. Sie glauben doch nicht etwa …«
»Ich weiß nicht. Ich verstehe das immer noch nicht. Er hat Geld genug, warum macht er das dann alles? Ist das nur verletzter Stolz? Weil Sie ihm die Anerkennung verweigert haben, die er sich gewünscht hat?«
»Sehen Sie mich nicht so an. Dieses ganze Gespräch erscheint mir absurd. Eins kann ich Ihnen allerdings versichern: Wenn Jason Upton neuerdings Geld hat, dann stammt das nicht von seiner Familie und garantiert nicht aus der Einigung, zu der es zwischen uns gekommen ist.«
»Ich weiß genau, dass er gesagt hat, er hätte einen Treuhandfonds. Genau genommen hat er damit sogar begründet, dass er weniger geschäftliche Ambitionen hatte als Sie. Und ich fand, er ist genau der Typ, der von zu Hause her Geld mitbringt. Sein ganzes Auftreten, so adrett – als wäre er auf dem Campus von Princeton zur Welt gekommen.«
»Das ist alles nur Theater. Jason hat an der Tufts University studiert, aber mit einem Stipendium. Sein Vater hat Schuhe verkauft, und seine Mutter war Lehrerin. Er ist in Oklahoma aufgewachsen. Dieses WASP-Benehmen hat er sich zugelegt, weil er damit bei den Mädchen gut ankam. Als ich ihn kennenlernte, war er gerade seit einem halben Jahr in New York und wohnte in einem Rattenloch auf der Lower East Side.«
»Tufts. Die ist in Boston, oder?«
Stern nickte.
»Und vor sechs Jahren war Upton demnach noch in Boston?«
Stern überlegte kurz und nickte schließlich noch einmal. »Ja, ich glaube, er ist nach dem Studium noch etwa ein Jahr dort hängen geblieben, und ich habe ihn, wie gesagt, kennengelernt, kurz nachdem er hergezogen war. Das ist jetzt ziemlich genau sechs Jahre her.«
Stern hatte Upton getroffen, kurz nachdem er nach New York gezogen war, kurz nachdem in Boston gegen einen Mann namens Edmond Bertrand ein Haftbefehl erlassen worden war, weil er wegen Kreditkartenbetrugs angeklagt war und zur Verhandlung nicht erschien.
Ein Akzent lässt sich leicht nachmachen. Das hatte Flann gesagt, als er auf den Gedanken gekommen war, dass Becker ihr Mann sein könnte. Allerdings hatten sie angenommen, dass der Mann, der Peter wegen des Briefs in der Bibliothek angerufen hatte, bemüht gewesen sei, einen südlichen Akzent zu imitieren – und nicht, ihn zu kaschieren.
»Haben Sie je überprüft, ob Upton tatsächlich an der Tufts war?«
Sterns Miene sagte genug. »Glauben Sie etwa …«
»Sie wären nicht der erste Arbeitgeber, der darauf verzichtet, sich die Papiere eines Freundes genauer anzuschauen. Haben Sie eventuell noch eine Geburtsurkunde von ihm?« Ellie nahm an, dass Upton Stern mehr oder weniger ausschließlich Lügen erzählt hatte, aber es war möglich, dass er – wie viele Leute, die sich einen anderen Namen zulegten – zumindest sein Geburtsdatum richtig angegeben hatte. Es war schon schwierig genug, mit verschiedenen Namen zu jonglieren, da brauchte man nicht noch unterschiedliche Geburtstage dazu.
»Vielleicht in der Personalabteilung. Ich kann fragen.«
Während Stern zum Hörer griff, holte Ellie ihr Handy hervor, um Charlie Dixon zu informieren. Das rote Blinken sagte ihr, dass eine Nachricht für sie eingegangen war; wahrscheinlich während ihrer U-Bahn-Fahrt. Sie rief die Mailbox an und lächelte, als sie Peters Stimme hörte. Nachdem sie die Nachricht ganz gehört hatte, ließ sie das Telefon sinken.
Enoch. Der Mörder nannte sich Enoch. Ellie hatte in dieses seltsame Pseudonym etwas hineingelesen, und das hatte sie auf die falsche Spur gebracht. Nur weil der Name Richard Hamline benutzt worden war, um den FirstDate-Account von Enoch zu eröffnen, hatte sie dem Buch des
Weitere Kostenlose Bücher