Operation Amazonas
Sprengladungen im Tal verteilt sind?«
»Eine halbe Stunde«, antwortete der neue Lieutenant schneidig.
Louis nickte und sah auf seine Armbanduhr. Die Zeit wurde knapp, doch bislang lagen sie noch im Zeitplan. Hätte der Russe nicht das verdammte GPS ans Laufen bekommen und ein Signal übermittelt, hätte er mehr Zeit gehabt, seinen Sieg auszukosten.
Seufzend musterte Louis die Lichtung. Insgesamt knieten achtzehn Gefangene am Boden, die Hände auf dem Rücken; die Handfesseln waren mit den überkreuzten Knöcheln verbunden. Eine Seilschlinge lief durch die Fesseln und umschloss ihren Hals. Eine Würgefessel, die keinerlei Bewegungsspielraum ließ. Einige Gefangene schnappten bereits nach Luft. Die anderen schwitzten und bluteten in der sengenden Sonne.
Louis wurde sich bewusst, dass Mask noch immer vor ihm stand. »Und das Tal wurde abgesucht?«, fragte er. »Es gibt keine Ban-ali mehr?«
»Keine lebenden, Sir.«
Das Dorf hatte über hundert Bewohner gehabt. Jetzt waren sie ein ausgelöschter Stamm unter vielen.
»Was ist mit dem Tal? Wurde es ganz gründlich abgesucht?«
»Ja, Sir. Der einzige Weg auf dieses Plateau oder von ihm hinunter führt durch die Schlucht.«
»Ausgezeichnet«, sagte Louis. Dies hatte ihm bereits der Kundschafter der Ban-ali berichtet, den sie in der Nacht gefoltert hatten, doch er wollte ganz sicher gehen. »Machen Sie noch einen Rundgang. Ich möchte, dass Sie spätestens um fünf Uhr wieder hier sind.«
Mask nickte und machte schneidig kehrt. Eilig näherte er sich dem Riesenbaum in der Mitte der Lichtung.
Louis sah ihm nach. Soeben wurden zwei kleine Stahlfässer aus dem Eingang des Baumes hervorgerollt. Als das Tal gesichert war, hatten mit Äxten und Ahlen ausgerüstete Männer Drainagen gelegt und große Mengen des kostbaren Safts abgezapft. Louis beobachtete eine weitere Gruppe, die am Fuße des riesigen Yagga-Baums tätig war. Er kniff die Augen zusammen.
Alles lief mit der Präzision eines Uhrwerks ab. Nachlässigkeit hätte Louis auch nicht geduldet.
Zufrieden ging er zurück zu den Gefangenen, den Überlebenden des Ranger-Teams, die in der sengenden Sonne schmorten. Sie waren ein Stück weit abgesondert von den überlebenden Indianern.
Louis musterte seinen Fang, etwas enttäuscht darüber, dass ihre Gegenwehr so schwach gewesen war. Die beiden Ranger funkelten ihn zornig an. Die kleine asiatische Anthropologin war inzwischen wesentlich ruhiger geworden; ihre Lippen bewegten sich in lautlosem Gebet. Offenbar hatte sie sich in ihr Schicksal ergeben. Kouwe zeigte keine Regung. Louis blieb vor dem letzten Gefangenen in der Reihe stehen.
Nathan Rands Blick war ebenso hart wie der der Ranger, doch es lag noch mehr darin. Der Ausdruck eiskalter Entschlossenheit.
Louis hatte Mühe, dem Mann in die Augen zu schauen, wollte den Blick aber auch nicht abwenden. Nathans Ähnlichkeit mit seinem Vater war nicht zu übersehen: Er hatte das gleiche sandfarbene Haar, die gleichen Wangenknochen, die gleiche Nasenform. Doch er war nicht Carl Rand. Erstaunlicherweise verspürte Louis deswegen Enttäuschung. Die Genugtuung, die er daraus zog, dass Carls Sohn vor ihm kniete, war schal.
Unwillkürlich empfand er sogar einen gewissen Respekt vor dem jungen Mann. Im Verlauf der Expedition hatte Nathan Einfallsreichtum und Unerschrockenheit bewiesen und sogar Louis’ Spion getötet. Und jetzt, am Ende, hatte er seine Loyalität unter Beweis gestellt, seine Bereitschaft, sein Leben für sein Team zu opfern. Bewundernswerte Eigenschaften, auch wenn sie Louis’ Charakter vollkommen zuwiderliefen.
Und er hatte diese Augen, so hart wie polierter Stein. Offenbar hatte er abgrundtiefen Kummer durchlebt und irgendwie überlebt. Louis dachte an seinen alten Freund in dem Hotel in Französisch-Guayana, den Überlebenden der Teufelsinsel. Louis stellte sich vor, wie er seinen Bourbon pur schlürfte. Dieser Bursche hatte auch solche Augen. Das waren nicht die Augen von Carl Rand. Nathan war ein anderer Mensch.
»Was haben Sie mit uns vor?«, fragte Nate. Es war keine Bitte, bloß eine einfache Frage.
Louis holte ein Taschentuch hervor und wischte sich den Schweiß von der Stirn. »Ich habe mein Wort als Gentleman gegeben, dass ich weder Sie noch Ihre Freunde töten werde. Und ich werde mein Wort halten.«
Nate kniff die Augen zusammen.
»Ich überlasse es dem US-Militär, Sie zu töten«, sagte er betrübt; seine Gefühlsanwandlung war erstaunlicherweise ungeheuchelt.
»Was soll das heißen?«, fragte Nate
Weitere Kostenlose Bücher