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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Jahre damit zugebracht, an einem guten Verhältnis zwischen der Agentur und dem Kongress zu arbeiten. Unser Büro versuchte den Kongress davon abzuhalten, Pandoras Büchse zu öffnen, und ich muss Ihnen gegenüber eingestehen, dass wir versagt haben. Sie verlangten unsere schmutzige Wäsche zu sehen, und trotz der Bemühungen einiger von uns gab die Agentur sie ihnen. Wissen Sie, was mir am meisten Kummer machte? Der Umstand, dass es uns an einer politischen Führung fehlte – im Kongress, im Weißen Haus, ja, auch in der CIA  –, die bereit gewesen wäre, nein zu sagen.»
    Weiterer Applaus.
    «Nachdem ich mir diese Prozedur der Selbstgeißelung lange genug angesehen hatte, sagte ich mir, dass es genug ist, dass alles seine Grenzen hat, und ich nahm meinen Abschied.»
    Noch mehr Beifall. Marsh nickte dankbar mit dem Kopf.
    Was Marsh da von sich gab, entsprach nicht ganz den Tatsachen, zumindest nicht der Teil, in dem von seinem Austritt aus der Agentur die Rede war. Es traf zwar zu, dass er die siebziger Jahre auf dem Abstellgleis der Public-Relations-Arbeit im Kongress verbracht hatte, nachdem man ihn als Operationschef der Nahost-Abteilung hinausgeworfen hatte; aber selbst auf diesem bescheidenen Posten hatte er sich nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Seine Kollegen beklagten sich darüber, dass er nur bei den konservativsten Abgeordneten von Repräsentantenhaus und Kongress Erfolg hatte; Leuten, bei denen er, man konnte es nicht anders sagen, ohnehin offene Türen einrannte. Und so war Marsh von seiner Kontaktpflege im Kongress wieder abgezogen worden und zu Hause in Langley auf einen Sackgassenposten an einem Schreibtisch des Sicherheitsbüros gesetzt worden. Und schließlich, als er sich kurz vor seinem zwanzigjährigen Jubiläum befand, hatte man ihm eine vorzeitige Pensionierung mit großzügigem finanziellem Arrangement nahegelegt, die er dann auch angenommen hatte.
    «Was wir heute bei der CIA beobachten, ist nichts weiter als ein Beispiel mehr für die Unordnung in unserem Lande», fuhr Marsh fort. «Wir sehen sie in diesem Land in allen Lebensbereichen: In den Schulen mangelt es ebenso an Disziplin wie an den Universitäten und bei den Medien. Es mangelt an Kontrolle. Es herrscht ein Gefühl des Dahintreibens und der Unsicherheit. Ein Gefühl, dass wir Amerikaner sowohl zu Hause als auch im Ausland herumgestoßen werden.»
    Marsh näherte sich dem Ende seiner Rede. Er legte die Hände auf die beiden Außenkanten des Rednerpultes, wie ein Schiffskapitän, der bei rauer See das Ruder fest umklammert hält. Auch wenn sein Publikum keine Ahnung davon hatte, John Marsh wusste sehr wohl, wovon er sprach, wenn er von der Anarchie dieser Zeiten redete. Seine eigene Familie war ein Chaos. Seine Tochter war vom College abgegangen, um sich einer Kommune anzuschließen. Sein Sohn war aus einer Privatschule relegiert worden, weil man ihn mit Drogen erwischt hatte.
    Aber John Marsh sprach an diesem Tag nicht über seine eigenen Probleme; er sprach über die Probleme Amerikas.
    «Wir müssen hart bleiben», verkündete er. «Wir müssen dem Verfall entgegentreten. Und beginnen müssen wir bei unseren Nachrichtendiensten, die Schwert und Schild unserer Freiheit darstellen.»
    Er bekam lauten und anhaltenden Beifall, auf den Glückwünsche all jener folgten, die sich um das Podium versammelten. Ein konservativer Zeitungskorrespondent bat Marsh um eine Kopie seiner Rede. Der Direktor des Studienzentrums bot Marsh die Gelegenheit, dem Kollegium beizutreten. Ein Professor trat an Marsh heran und erbat seine Hilfe bei einem Buch über sowjetische Nachrichtenoperationen, an dem er gerade arbeitete.
    Die Szene belegte zumindest einen Teil der Realität des Washington der späten siebziger Jahre. Die Konservativen hatten die Kunst des Durchsickernlassens und der Selbstförderung gelernt. Und im Laufe dieses Prozesses war einiges von der alten Disziplin auf der Strecke geblieben. Die konservativen Nachrichtenoffiziere, die ihre ganze Laufbahn damit zugebracht hatten, die Geheimnisse der Nation zu schützen, verbrachten jetzt im Ruhestand ihre Tage damit, mit Journalisten zu Mittag zu essen, befreundeten Denkfabriken sachverständige Berichte über Geheimdienstangelegenheiten zu liefern oder Positionspapiere für politische Kandidaten zu schreiben. Irgendetwas war aus den Fugen geraten.
    Als sich die Versammlung zu zerstreuen begann, kam ein kleiner, fast schon kahlköpfiger Mann auf Marsh zu. Sein Gesicht war leicht gerötet und

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