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Operation Beirut

Operation Beirut

Titel: Operation Beirut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ignatius
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Holland und Frankreich in der Bayswater Road. Straßenkünstler reihten sich einer neben dem anderen an dem schmiedeeisernen Gitterzaun, der den Hyde Park umschloss, und boten leichtgläubigen Passanten ihre Werke feil. Die Exponate waren abscheulich: wirre Metallkonstruktionen, die eher den Teilen einer Klimaanlage ähnelten als einem Kunstwerk; stilisierte Gemälde von Wellen, die bei Sonnenuntergang gegen die Küste donnerten; die obligaten Porträts von reizenden, unterernährten Kindern und flaumigen Kätzchen, die mit Wollknäueln spielten. Levi betrat den Hyde Park und schlenderte in Richtung des Wasserbeckens, das man gemeinhin als The Serpentine bezeichnete. Er dachte an Rogers, versuchte sich vorzustellen, wo er jetzt war und was er in diesem Augenblick wohl dachte. Das war ein altes Spiel Levis; eines, das er nun schon beinahe zehn Jahre lang spielte. Er versetzte sich gerne in Rogers’ Lage, gab sich dieselben Karten wie Rogers und versuchte sich vorzustellen, wie der sie ausspielen würde. Wenn Levi das amerikanische Agentennetz im Nahen Osten zur Verfügung stünde, wie würde er es leiten? Würde er seine Leute dazu auffordern, zusammen mit Israel für den Frieden zu arbeiten? Oder würde er ihnen raten, sich militant antiisraelisch zu geben, um die Tarnung aufrechtzuerhalten?
    Und wenn sich einer seiner Agenten als Terrorist entpuppte, was würde er in diesem Fall unternehmen? Wahrscheinlich nichts, stellte er fest. Es gab immer einen guten Grund dafür, nichts zu tun.
    Levi spazierte am Ufer der Serpentine entlang. Enten paddelten durch das trübe Wasser. Andere kamen herausgewatschelt, um sich zu ihren im Gras schlafenden Artgenossen zu gesellen. Die Frage lautete im Augenblick jedoch nicht, was er selbst tun würde, wenn er das amerikanische Agentennetz im Nahen Osten leiten würde, musste sich Levi ermahnen, sondern was Rogers tun würde. Was würde der große Rogers tun, wenn sich zum Beispiel in London ein Nachrichtenmann des israelischen Sicherheitsdienstes aus heiterem Himmel an ihn wandte und ihm andeutete, die Israelis hätten einen alten Plan wieder zum Leben erweckt, nämlich den Mann zu eliminieren, den die CIA in der PLO hatte? Was würde er dazu sagen? Welche Gefühle würde man ihm ansehen?
    Levi ging zurück in Richtung seines Hotels, wobei er den Reitpfad überquerte, der den Hyde Park umkreist. Eine Gruppe von Mädchen auf Pferden trabte vorüber, angeführt von einer Reitlehrerin mit einem Gouvernantengesicht und hohen schwarzen Stiefeln. Nicht ein einziges Mal fielen die Pferde in einen Kanter, ganz zu schweigen von einem Galopp. Im Hyde Park war so etwas nicht gestattet. Nur ein langsamer, gleichmäßiger Trab.
    An jenem Tag war das Rogers-Spiel von mehr als nur akademischem Interesse für Levi. Nachdem er sich fast zehn Jahre lang in sein amerikanisches Gegenstück versetzt hatte, würde Levi ihm nun endlich gegenüberstehen. Beide standen sie auf der Teilnehmerliste einer Antiterror-Konferenz, die das britische Foreign Office ausrichtete. Levi war nervös. Er kam sich wie ein Spanner vor, der kurz davorstand, einem Menschen die Hand zu schütteln, den er so oft heimlich beobachtet hatte, dass er längst Bestandteil seiner täglichen Träumereien geworden war.
     
    Die Araber waren in jenem Sommer in London allgegenwärtig. In den vornehmen Geschäften von Knightsbridge kauften sie Anzüge und Schuhe; in den weniger vornehmen Läden der Oxford Street kauften sie Fernsehgeräte; und sogar bei Marks & Spencer sah man sie – beim Kauf von Unterwäsche. Sie waren die vollendeten Parvenus: unermesslich reich und gleichzeitig zum Verzweifeln unsicher. Sie waren der Traum eines jeden Ladenbesitzers. Die Juweliere rund um die Hotels an der Park Lane gewöhnten sich daran, auf Araber gefasst zu sein, die mit ihren Mätressen einfach von der Straße in ihre Läden kamen und vom Fleck weg Diamantenkolliers im Wert von 50000 Dollar kauften. Nach oben schienen einfach keine Grenzen dafür gesetzt, was ein Araber für das zu zahlen bereit war, was er haben wollte. Je teurer es war, desto mehr Freude schienen sie daran zu haben. Vielleicht hatten sie erkannt – und das besser als sonst einer –, dass die Welt mit dem Ölboom der siebziger Jahre aus den Fugen geraten war. Die Werte standen nicht mehr lotrecht. Die Araber hatten ein Sprichwort, das die Lage vorzüglich auf einen Nenner brachte: «Wenn der Affe herrscht, dann tanz für ihn.»
    In den verschiedenen Hotels der Stadt trafen

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