Operation Beirut
gewesen.
Nach einer Stunde mit dem Baskenproblem genehmigten sich die Delegierten eine Kaffeepause. Der junge Beamte von vorhin kam zurück an die silberne Kaffeemaschine. Trotz der fehlenden Namensschildchen schienen die meisten der Delegierten einander zu kennen. Eine Versammlung alter Hasen. Mach dich an Rogers heran, sagte sich Levi. Er sah sich nach dem Amerikaner um und sah ihn zu seiner Erleichterung, in einer unschlüssigen Betrachtung der Delegierten versunken, allein im Korridor stehen.
Vorsichtig machte sich Levi an ihn heran; er wollte Rogers nicht verscheuchen.
«Was steht denn als Nächstes auf dem Programm?», improvisierte Levi.
«Mal sehen», sagte Rogers und schaute auf das Programm. «Ein Vortrag von den Holländern über den südmolukkischen Terrorismus.»
«Vielleicht wird das interessanter», sagte Levi. «Vielleicht», sagte Rogers.
Es entstand eine Pause. Mach schon, ermahnte sich Levi. Frag ihn.
«Sind Sie nicht Tom Rogers?», fragte er endlich.
«Stimmt», sagte Rogers. «Woher wissen Sie das?»
Levi lächelte.
«Ich heiße Yakov Levi», sagte er und streckte seine Hand aus. «Ich bin vom Mossad.»
«Erfreut», meinte Rogers.
«Ich habe schon viel von Ihnen gehört. Ich brenne seit Jahren darauf, Sie einmal persönlich kennenzulernen.»
«Tatsächlich?», fragte Rogers und sah Levi von der Seite her an. «Sollte ich Sie kennen?»
«Vielleicht. Vielleicht unter einem anderen Namen.»
«Vielleicht», sagte Rogers, obwohl er das Gesicht nirgendwo unterzubringen vermochte.
Die beiden schwiegen. Rogers sah auf die Uhr.
«Was machen Sie hier?», sagte Levi in dem Versuch, Konversation zu machen.
«Das Gleiche wie Sie», antwortete Rogers.
Levi starrte auf seine Schuhe und sprach weiter.
«Um die Wahrheit zu sagen, ich habe früher einmal im Libanon gearbeitet. Zur gleichen Zeit, als Sie dort waren. Deshalb weiß ich über Sie Bescheid.»
«Tatsächlich?», fragte Rogers mit einem Aufflackern echten Interesses. «Wollen Sie damit sagen, dass Sie in der Beiruter Mossad-Station gearbeitet haben? Wir haben immer angenommen, dass es eine solche geben müsste, aber wir haben nie herausbekommen, wo sie war.»
«Wir sind eben besser als Sie, wenn es darum geht, ein Geheimnis zu bewahren», sagte Levi.
«Wo waren Sie, wenn Sie die Frage gestatten?»
«In West-Beirut.»
«Aber wo?»
«Tut mir leid», sagte Levi. «Aber das ist ein Geheimnis.»
Der britische Gastgeber klingelte ein weiteres Mal mit seiner Glocke.
«Ich nehme nicht an, dass Sie Lust hätten, die nächste Sitzung ausfallen zu lassen?», fragte Levi. «Wir könnten einen Spaziergang machen.»
«Ich fürchte nicht», sagte Rogers. «Ich würde mir den Vortrag der Holländer gerne anhören. Sie hatten letztes Jahr eine Geiselbefreiung, die wirklich erstklassig war. Von israelischer Qualität.»
«Ich weiß», sagte Levi. «Wir haben sie ausgebildet.» Zusammen gingen die beiden in den Konferenzraum zurück. «Vielleicht könnten wir uns später treffen», sagte Levi.
Rogers dachte einen Augenblick lang nach. Warum nicht? Dieser wissbegierige israelische Nachrichtendienstler, der da behauptete, so viel über ihn zu wissen, hatte ihn neugierig gemacht.
«Sicher», sagte er. «Wir treffen uns draußen, wenn der Ausschuss hier Schluss macht. Am Ausgang zur Whitehall.»
Levi nickte.
Die Geheimnisse der holländischen Anti-Terror-Politik wurden gebührend erörtert, und eine Stunde später schlenderten Rogers und Levi die Whitehall hinauf in Richtung Trafalgar Square. Es war ein frischer britischer Herbsttag, kalt, fast schon eisig; der Himmel war klar. Rogers fiel auf, dass Levi schneller ging als er selbst; er machte kurze, schnelle Schritte, die ihn gegenüber Rogers’ langsamerem Schlenderschritt schneller vorwärtsbrachten.
Die Unterhaltung entwickelte sich ohne bestimmte Richtung; jeder der beiden Männer sondierte den anderen; keiner war sich sicher, worauf der andere hinauswollte. Es war ein Katz-und-Maus-Spiel; nur dass sie beide Katzen waren.
«Wann waren Sie im Libanon?», fragte Rogers.
«In den späten Sechzigern, Anfang der Siebziger», antwortete Levi.
«Vor der Sintflut.»
«Ja, vor der ersten Sintflut.»
«Wird es noch eine geben?»
«Natürlich», sagte Levi. «Im Libanon wird es immer wieder Sintfluten geben.»
Es entstand eine Pause. Ein Doppeldeckerbus voller Touristen dröhnte vorüber. Was versucht er mir zu sagen?, fragte sich Rogers. Worauf will der Mann hinaus?
«Es ist jetzt
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