Operation Genesis (Ein Delta-Team-Thriller) (German Edition)
Reisig und ein paar Scheite Brennholz aus der Kiste und fing an, sie geschickt in einer Feuergrube im Boden zu arrangieren. Ganz nach unten kam eine Schicht Stroh, dann das Reisig und darüber eine Pyramide aus Holzscheiten. Lucy schlug einen Feuerstein auf den Boden und ließ damit eine Funkenkaskade in die Höhe schießen. Nach zwei vergeblichen Versuchen und kräftigem Pusten kam das Feuer in Gang.
»Was gibt’s zum Abendessen?«, fragte King.
»Dich«, erwiderte Lucy beiläufig, als erklärte sie einem Kopf Salat, dass sie ihn gleich hacken würde. Sie überprüfte die Schärfe ihrer Steinmesser, indem sie mit dem Finger darüberstrich.
King begriff, dass der Vergleich mit dem Kopfsalat vielleicht gar nicht so weit hergeholt war. Er betrachtete die Kratzer in der Oberfläche des Steins, auf dem er gerade saß. Seine Augen weiteten sich. Es war ein Schneidebrett. Ein sehr großes Schneidebrett.
»Dein Vater hat dir befohlen, auf mich aufzupassen.Ich glaube nicht, dass er damit aufessen gemeint hat«, sagte King.
Lucy starrte ihn aus zusammengekniffenen Augen an, wie es nur ein wütender Teenager fertigbringt. »Vater weiß nicht alles. Die alten Mütter haben mir auch einiges beigebracht.«
»Ich dachte, sie wären verbannt worden.«
»Ich besuche sie, wann ich will. Auf der anderen Seite des Flusses. Vater weiß nichts davon.«
Im Grunde wollte King es gar nicht wissen, doch es war wichtig. »Und was haben die alten Mütter dir … beigebracht?«
Lucy lächelte. Das kleine Mädchen war verschwunden, und an seine Stelle war etwas Wildes getreten. King stellte sich vor, dass die alten Mütter dem Mädchen glichen, das er jetzt vor sich sah. »Kochen.«
Lucy mochte intelligent sein. Sie konnte sprechen, vielleicht sogar schreiben oder lesen. Aber ihre Kenntnisse bezog sie von Weston und den alten Müttern, auch was Ethik anging. Ihr moralischer Kompass, unreif und von nicht menschlichen Hirnen geformt, ging falsch. King war sicher, dass die Nguoi Rung als intelligente Vorfahren der modernen Menschheit Recht von Unrecht hatten unterscheiden können. Doch ebenso wie die Menschen konnte man auch sie lehren, zu hassen, böse zu sein.
»Und es stört dich nicht, dass ich mit dir sprechen kann?«, fragte King.
Lucy hielt mit einer Steinklinge in der Hand inne. »Warum sollte es?«
»Weil ich so bin wie du.«
Lucy zog eine Augenbraue hoch, die eher der Ansatz der Kopfbehaarung war als eine richtige Augenbraue. Sie lächelte und bleckte dabei ihre scharfen Eckzähne. »Dubist überhaupt nicht wie ich.« Sie kauerte sich neben ihn hin und spielte mit der Steinklinge. »Ich bin stark. Du bist schwach. Ich bin klug. Du bist dumm.« Sie pochte sich auf die Brust. »Ich bin Nguoi Rung. Du bist Mensch.«
»Weston ist auch ein Mensch.«
»Vater ist Alpha. Kein Mensch.«
King seufzte. Man hatte sie einer totalen Gehirnwäsche unterzogen.
Lucy stand auf und stemmte einen Arm in die Hüfte. »Du bist Nahrung. Ich bin hungrig.« Dann lachte sie. Ihre Stimme klang wie die eines beliebigen weiblichen Teenagers.
»Wie alt bist du, Lucy?«
Sie schärfte den Stein an einem anderen, schlug kleine Stücke ab und erzeugte so eine frische Schneide. »Drei.«
»Du kannst nicht drei sein«, sagte King.
Lucy wirbelte zu ihm herum. Wütend. »Bin ich doch! Vater hat es schon dem anderen Mann erklärt, bevor ich ihn getötet habe.«
King hatte Mühe, seine wachsende Beunruhigung zu verbergen. »Welcher andere Mann?«
»Groß. Größer als du. Dunkle Haut.«
Bishop.
»Wie hast du ihn getötet?« Bishop war nicht so leicht umzubringen. Es sei denn …
»Ich habe ihm den Kopf abgerissen.«
King ließ die Schultern sinken, gemeinsam mit seinem Mut.
Bishop war tot.
King schluckte eine Mischung aus Verzweiflung und Zorn hinunter und konzentrierte sich auf das nächstliegende Problem, so, wie man es ihn gelehrt hatte. Soll sie doch denken, dass sie drei ist. Vielleicht altern sie ja anders. Sie benimmt sich jedenfalls wie ein Teenager.
»Ist das eine Küche? Weißt du, was eine Küche ist?«
Sie schmollte. »Das ist mein Zimmer. Keine Küche.«
»Dein Zimmer gefällt mir«, sagte er rasch, da er fürchtete, sie verärgert zu haben. »Es ist sehr hübsch.«
Lucy entspannte sich. Ein winziges Lächeln trat auf ihre Lippen.
»Hast du auch ein Bett?«
Ein verwirrter Ausdruck trat auf ihr Gesicht. Dann sah sie ihn an, als hätte er sich gerade in die Hose gemacht. »Du sitzt auf meinem Bett.«
Trotz Kings Abscheu davor,
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