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Operation Romanow

Operation Romanow

Titel: Operation Romanow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Glenn Meade
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tot ist. Und sie werden ihn eines Tages finden. Ich weiß es.«
    »Aber Lydia …«
    Von einer Sekunde auf die andere stieg Wut in Lydia auf. Nach der letzten Woche auf See und all der Anspannung, die sich in ihr aufgestaut hatte, geriet sie schnell in Rage. »Nein, ich werde nicht akzeptieren, dass das Schlimmste passiert sein könnte! Ohne Beweise wissen wir gar nichts. Geh jetzt, und sag Dinny, dass uns ein deutsches U-Boot bis nach Hause begleitet. Es passt auf uns auf. Beeil dich!«
    Finn zögerte. »Du musst dich wirklich mal ausruhen, weißt du das? Du bist am Ende. Du hast fast eine Woche lang nicht richtig geschlafen. Geh runter und hau dich aufs Ohr, solange alles ruhig ist. Und ich muss dir noch etwas sagen.«
    »Ja?«
    »Ich liebe dich, Lydia Ryan, trotz deiner Fehler. Du bist und bleibst mo cushla , wie Dad immer sagt.« Finn zwinkerte ihr verschmitzt zu. Mo cushla – du bist mein Atem, mein Herzschlag – war ein gälischer Kosename, der sie immer milde stimmte.
    Lydia musste lächeln, und ihre Wut löst sich in Luft auf. »Nun geh schon. Ich komme gleich.«
    Finn ging auf das Ruderhaus zu. Lydia sah ihm nach und bedauerte sofort, dass sie so ungehalten reagiert hatte. Es hatte eine Zeit gegeben, da war sie großherzig, liebenswürdig und freundlich gewesen. Doch nun wütete der Krieg, und der hatte mit all seinen Verwüstungen und seinem unermesslichen Elend dazu geführt, dass sie schnell aus der Haut fuhr und oft kleinmütig und hart war.
    Jetzt bemerkte sie, dass sie etwas Schweres in der rechten Hand hielt. Es war die kleine schwarze Mauser, die Ritter ihr geschenkt hatte. Lydia zog den Rock hoch, sodass ihre Waden entblößt wurden, und steckte die Mauser in ihren rechten Halbstiefel.
    In diesem Moment verließ die Marie-Ann den Hafen, und von irgendwoher wehte eine frische Brise und ließ sie frösteln.
    Der Nebel löste sich auf, und die unermessliche Weite der grauen Nordsee erstreckte sich bis zum Horizont. Aus irgendeinem Grunde fühlte sie sich schrecklich einsam. »Wo bist du, Sean Quinn? Verdammt, nie bist du da, wenn ich dich brauche!«
    Im nächsten Augenblick trug der Wind ihre Klage davon, und sie verlor sich in der Unendlichkeit des kalten, gleichgültigen Meeres.
    Lydia tupfte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, strich ihren Rock glatt und ging unter Deck.

4. KAPITEL
    Sankt Petersburg/Zarskoje Selo
    Nur wenige Wochen nach der Februarrevolution und dem Sturz des Zaren ähnelte die Stadt der Hölle auf Erden, einem Ort, an dem die Welt vollkommen aus den Fugen geraten war.
    Der Frühling hatte begonnen, doch in den Straßen der ehemals von Peter dem Großen gebauten Stadt herrschte noch immer eisiger Winter. Riesige, dreckige Eisklumpen türmten sich auf allen Straßen und Bürgersteigen.
    Natürlich hatte der Krieg auch hier Spuren hinterlassen. Philip Sorgs aufmerksamen Blicken entging nichts, als er in der angemieteten Droschke Richtung Westen fuhr. Der Weg führte ihn an den Elendsvierteln von Sankt Petersburg vorbei, die sich immer weiter ausdehnten und in denen katastrophale Zustände herrschten. Überall auf den Balkonen waren Leinen gespannt, auf denen schmutzig-graue Wäsche hing.
    Sorg fielen die Sandsäcke auf, die vor wichtigen öffentlichen Gebäuden aufgestapelt waren, und die Propagandaplakate an den Laternenpfählen und an den Mauern. Er achtete genau darauf, welche Straßenzüge Einschusslöcher von Artilleriegranaten aufwiesen und wo die blutroten Fahnen der Revolution an den zaristischen Gebäuden flatterten. Von dort aus war einst das riesige russische Reich regiert worden, das sich von der Ostsee bis zum Pazifik erstreckte.
    Er sah eine Reihe von Motor- und Lastwagen, von denen die meisten von den gewalttätigen Banden der Rotgardisten gefahren wurden, und die zahlreichen Pferdekadaver und Leichen auf den Straßen. Sorg zählte die Menschen in den Schlangen vor den Lebensmittelgeschäften – es waren Hunderte, wenn nicht gar Tausende. Er sah auch die Parolen, die auf die Mauern geschmiert worden waren: »Land und Freiheit«, »Ein langes Leben den Arbeitern« oder »Sieg oder Tod«.
    Die Unruhen der Revolution hatten das Land fest im Griff, und die Kämpfe zwischen den roten Bolschewisten und den weißen Zaristen, die versuchten, die Vorherrschaft zu gewinnen, richteten es zugrunde. Kinder scheuten sich ebenso, in die Schule zu gehen, wie die Bürger unnötige Wege vermieden. Es war nämlich keine Seltenheit, dass das Donnern von Artilleriefeuer und

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