Opfer der Lust
Parkanlage: „Diese kleine Grünfläche hat die Bezeichnung Park gar nicht verdient.“
Daryl blieb stehen und hielt sie am Arm fest. „Was hast du mit deiner Anspielung gemeint?“
Einen Moment lang überlegte sie, ob sie sich herausreden sollte, doch dann entschied sie, die Chance am Schopf zu packen. „Ich habe herausgefunden, dass du Geschäftsführer von Maternity Help bist.“
„Woher weißt du das?“, fragte er verblüfft, umfasste auch ihren zweiten Arm und schüttelte sie sanft.
„Hör auf, du tust mir weh!“
Er entschuldigte sich betreten und ließ sie los. „Hat Mantis es dir verraten?“
„Dad hat nichts damit zu tun. Es spielt keine Rolle, woher ich es weiß. Es ist nur wichtig, dass ich es weiß. Und zu erfahren, dass du die ganze Zeit ein Geheimnis vor mir hattest, hat mich wirklich getroffen. Ich bin wirklich enttäuscht von dir.“
„Hast du aus diesem Grund Schluss gemacht?“
Sie schüttelte den Kopf.
„Dann wegen diesem Kerl.“
Bethany hatte keine Lust auf eine Eifersuchtsszene und lenkte das Gespräch von Kade weg. „Du bist sogar Prokurist. Warum bist du nicht stolz auf deinen Titel und genießt dein sicherlich hohes Einkommen, sondern tust so, als wärst du ein kleiner Angestellter?“
„Frag doch Mantis“, entgegnete er bissig. „Er macht es genauso und versteckt sich hinter einer spießigen Kleinbürgerfassade.“
Daryl lachte zynisch, ging weiter und schritt immer schneller aus.
Bethany folgte ihm. Es ärgerte sie, dass sie nichts über Maternity Help herausfinden konnte. Falls Daryl genauso dichthielt wie ihre Mutter, blieb ihr wohl nichts anderes übrig, als ihren Vater anzusprechen. Aber sie hatte ihrer Mutter hoch und heilig versprochen, genau das nicht zu tun. Und dieses Mal musste sie ihr Versprechen halten.
Denn wenn Mantis erst erfuhr, dass Blanche das Familiengeheimnis in einem schwachen Moment ausgeplaudert hatte, würde er sie seine Missbilligung spüren lassen.
Die Ehe ihrer Eltern kränkelte. Mantis war unzufrieden, weil Blanche immer labiler wurde, und Blanche wurde immer labiler, weil Mantis mit seiner Unzufriedenheit nicht hinter dem Berg hielt. Es war ein Teufelskreis.
„Könntest du bitte langsamer gehen“, bat Beth außer Atem. Mittlerweile befanden sie sich auf der Puritan Road. „Ich kann kaum noch mit dir Schritt halten.“
Daryl verlangsamte sein Tempo. Nun lächelte er sie wieder milde an und nahm ihre Hand. Entweder merkte er nicht, dass sie sich dezent gegen seine Berührung wehrte, oder er wollte es nicht bemerken. Jedenfalls bogen sie Hand in Hand nach rechts in die Humphrey Street ein, um im Bogen zurück zum Phillips Point zu spazieren.
Daryl schlug vor, durch den Phillips Park zu gehen, um den Weg abzukürzen, und Bethany willigte ein, obwohl die Dämmerung fortschritt und der Park verlassen war.
Doch kaum hatten sie die Grünanlage betreten, bereute sie ihre Einwilligung auch schon. Mit jedem Schritt fühlte sie sich unwohler. Die länger werdenden Schatten der Bäume und Sträucher machten ihr Angst, genau wie Daryls immer stärker werdender Händedruck.
Plötzlich blieb Daryl mitten auf dem Pfad stehen. Er strich über Bethanys Handrücken, küsste ihn und schaute ihr tief in die Augen. „Du kannst mir nicht weismachen, dass dir nichts mehr an mir liegt, sonst wärst du nicht gekommen, um mich zu sehen.“
„Ich wollte noch einmal mit dir sprechen, damit wir Freunde bleiben können.“
„Freunde?“ Er legte seinen Kopf schräg und kniff seine Augen zusammen.
Jetzt verstand Beth. Daryl war bisher nur so höflich und ruhig gewesen, weil er eine Versöhnung erwartete, hatte.
„Um ehrlich zu sein, hat meine Mom mich darum gebeten, mich mit dir zu treffen“, gestand sie ihm endlich und entriss ihm ihre Hand. „Sie meinte, du wärst am Boden zerstört. Aber auf mich machst du keinen niedergeschlagenen Eindruck, sondern eher einen wütenden. Du bist noch nicht über unsere Trennung hinweg.“
Sie bedauerte es zutiefst, der Bitte ihrer Mutter nachgegeben zu haben, und noch mehr bereute sie es, Daryls Vorschlag, eine Abkürzung durch den Park zu nehmen, zugestimmt zu haben. Denn nun stand sie mit einem Mann, der nahezu zwei Köpfe größer war als sie und dessen Gesicht vor Zorn und Eifersucht verzerrt war, allein in der Dunkelheit.
Ängstlich blickte sie sich um, aber es war niemand da, der ihr helfen konnte, sollte Daryl die Kontrolle über sich verlieren.
„Daryl, versteh doch“, entschuldigend zuckte sie mit
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