Opfer der Lust
Köpfen hinweg in Richtung Park und zwitscherte, sodass der Neufundländer stehen blieb und ihm nachschaute. Beth zog ihn weiter.
In diesem Moment erspähte sie Daryl.
Er eilte ihr entgegen. Ihr Körper versteifte sich, denn es kam ihr so vor, als würde sie den Stempel ‚Sünderin‘ auf der Stirn tragen.
Als Daryl sie sah, breitete er die Arme aus und lächelte erleichtert. „Da bist du ja.“
Bethany spürte, wie Hitze in ihre Wangen stieg. Sie hatte gehofft, sie hätte sich wenigstens erst waschen können, bevor sie Daryl unter die Augen treten musste. Aber nun stand er vor ihr und sie konnte nicht anders, als sich in seine Arme zu schmiegen, damit er nicht durch ihr abweisendes Verhalten misstrauisch wurde.
Sie fühlte einen Stich im Herzen. Durch ihr schlechtes Gewissen verspürte sie eine leichte Übelkeit.
„Ich habe mir Sorgen gemacht, weil du so lange weg warst“, sagte er und küsste sie auf den Kopf.
Seine Schafswolljacke kratzte an ihrer Wange. Beth räusperte sich, weil ihre Stimme mit einem Mal belegt war. „Lazy und mir war nach einer großen Runde, nicht wahr, Lazy? Die Luft ist so herrlich frisch.“
Wäre Daryl auch nur eine Minute früher vom Haus der Harts aufgebrochen, hätte er sie womöglich mit Aaron im Highland Park erwischt.
„Aber du wusstest doch, dass wir auf dich warten, Bethany, um über unseren Urlaub zu sprechen.“
„Ich gebe zu, ich habe die Zeit vergessen.“
Beth schenkte ihm ihr schönstes Lächeln, doch sie erschrak, als er sie unvermittelt küsste. Gleich würde das Donnerwetter losbrechen! Er würde sie fortstoßen und zur Rede stellen, ihr vielleicht sogar eine Ohrfeige geben. Auf der Straße würde er ihr eine Szene machen, weil sie fremdgegangen war, während er mit ihren Eltern zusammengesessen und Urlaubs-, eventuell sogar Hochzeitspläne geschmiedet hatte. Die ganze Nachbarschaft würde es erfahren. Die Anwohner würden die Fenster öffnen und Zeugen sein, wenn er die Verlobung löste.
Aber nichts dergleichen geschah.
Daryl eiste sich von ihren Lippen los. Er schenkte ihr ein liebevolles Lächeln und streifte mit dem Handrücken ihr Kinn. „Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, aber es ist ja nichts passiert. Gehen wir heim.“
Dann hob er ihre Hand an seinen Mund, küsste ihre Fingerspitzen und schob ihre Hand in seine Jackentasche, in der er sie umschlungen hielt.
Beth war fassungslos. Sie ließ sich von ihm nach Hause in die Seige Road führen und konnte nicht glauben, dass er nichts, aber auch rein gar nichts merkte. Roch ihre Hand nicht nach ihrer Feuchtigkeit? Schmeckten ihre Lippen nicht nach Aarons Geschlecht? Bemerkte er nicht ihren schuldigen Blick und das leichte Zittern ihres Körpers?
War er sich ihrer derart sicher?
Aber es gab eine Frage, die Bethany weitaus mehr quälte: Wenn Daryl nicht einmal auffiel, dass sie sich Minuten vorher mit einem anderen Mann lustvoll vereint hatte, was bedeutete das für ihr Treffen mit dem gefährlich attraktiven Kade?
9. KAPITEL
Bethany stand vor dem Ganzkörperspiegel in ihrem Schlafzimmer und betrachtete ihre Kleidung. Sie hatte sich für das Treffen mit Kade schick gemacht, um ihn wohlwollend zu stimmen, aber ihre Garderobe nicht zu sexy gewählt, damit er ja nicht auf dumme Gedanken kam.
Sie strich den cremefarbenen Rock glatt und zupfte an den Rüschen ihrer taillierten Bluse, die Einsätze aus Chenille-Streifen und ein dezentes Blumenmuster besaß.
Den obersten Knopf ausgenommen hatte Beth die Bluse zugeknöpft, der Rock reichte bis zu ihren Knien. Sie zeigte nicht zu viel Haut, aber ihr Outfit wirkte durch die hellen Farben auch nicht bieder.
Zufrieden prüfte Beth ihre Hochsteckfrisur, fand sie dann aber doch ein wenig zu brav und zupfte einige Haarsträhnen heraus.
Sie schlüpfte in weiße Schuhe mit niedrigem Absatz, zog ihren Steppmantel an und verließ die Wohnung. Auf leisen Sohlen stieg sie die Treppe hinab und schlich an der Wohnung im Erdgeschoss vorbei, damit ihre Eltern sie nicht hörten, denn sie würden durch irgendeinen fadenscheinigen Grund herauskommen und fragen, wohin sie denn an diesem Freitagabend noch fahren wollte.
Was hätte sie darauf antworten sollen?
Beth lief zur Kreuzung, an der ihr Wagen geparkt stand, und stieg ein. Ihr Herz pochte aufgeregt, als sie den Zündschlüssel ins Schloss steckte und ihn herumdrehte.
Was würde im Hideaway geschehen? Was waren Kades wirkliche Pläne? Es war sehr seltsam, dass er nur verlangt hatte, sich mit ihr zu treffen.
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