Opferlämmer
Nächstes etwaige Partikel von der Innenseite des Rahmens, wo es einen Kontakt gegeben haben muss.«
Pulaski stellte die Luke auf einen großen Bogen Zeitungspapier, fuhr mit einem weichen Pinsel am Rand entlang und nahm Abstriche. Dann gab er die Funde – die Rhyme überaus karg vorkamen – in Beweismitteltüten und sortierte sie, damit Cooper sie analysieren konnte.
Sellitto bekam einen Anruf. »Moment«, sagte er, »ich lege Sie auf den Lautsprecher.«
»Hallo?«, ertönte eine Stimme.
Rhyme schaute zu dem Detective. »Wer ist das?«, flüsterte er.
»Szarnek.«
Der NYPD-Experte aus der Abteilung für Computerkriminalität.
»Was haben Sie für uns, Rodney?«
Im Hintergrund dröhnte Rockmusik. »Ich bin mir fast sicher, dass wer auch immer die Algonquin-Server manipuliert hat, die Zugangscodes kannte. Nein, streichen Sie das ›fast‹, ich bin mir sicher. Zunächst mal haben wir keinerlei Hinweise auf einen Einbruchsversuch gefunden. Es gab keinen Brute-Force-Angriff,
keine Codereste von Rootkits, verdächtigen Treibern, Kernelmodulen oder…«
»Bitte nur das Ergebnis, falls es Ihnen nichts ausmacht.«
»Okay, ich will sagen, wir haben uns jeden Port vorgenommen und…« Er hielt inne, weil Rhyme aufseufzte. »Äh, ja, das Ergebnis. Es war ein Insiderjob, jedenfalls teilweise.«
»Was heißt das?«, murrte Rhyme.
»Der Zugriff ist von außerhalb des Algonquin-Gebäudes erfolgt. «
»Das wissen wir.«
»Aber der Täter muss sich die Codes zuvor aus der Zentrale in Queens besorgt haben. Entweder er oder ein Komplize. Es gibt sie dort sowohl auf Papier als auch in Form eines Zufallscodegenerators, der nicht am Netzwerk hängt.«
»Demnach gab es keinen Hackerangriff, weder von hier noch aus dem Ausland«, fasste der Kriminalist zur Sicherheit noch einmal zusammen.
»Davon müssen wir ausgehen. Im Ernst, Lincoln, kein einziges Rootkit …«
»Ich hab’s kapiert, Rodney. Wissen wir etwas über seine Mobilfunkverbindung aus dem Café?«
»Ein Prepaid-Telefon, das per USB an den Laptop angeschlossen war. Die Verbindung lief über einen Proxy-Server in Europa.«
Rhyme besaß genug technischen Sachverstand, um zu begreifen, dass die Antwort auf seine Frage im Klartext Nein lautete.
»Danke, Rodney. Wie können Sie bei dieser Musik überhaupt arbeiten?«
Der Mann kicherte. »Falls noch was ist, rufen Sie mich an – jederzeit.«
Es klickte in der Leitung, und der hämmernde Lärm verstummte.
Auch Cooper beendete gerade ein Telefonat. »Ich habe mit
einer Kollegin in der Zentrale gesprochen«, sagte er. »Sie arbeitet bei der Materialanalyse und ist Geologin. Außerdem kennt sie viele der Schulen, in denen regelmäßig öffentliche Ausstellungen stattfinden. Sie macht sich für uns auf die Suche nach Vulkanasche und Lava.«
Pulaski, der immer noch über der Luke brütete, kniff die Augen zusammen. »Ich glaube, ich habe hier etwas.«
Er deutete auf eine Stelle neben dem oberen Riegel. »Wie es scheint, hat er dort etwas weggewischt.« Er nahm das Vergrößerungsglas. »Da ist ein scharfkantiger Grat im Metall… Ich glaube, der Täter hat sich daran verletzt.«
»Er hat geblutet?«, vergewisserte Rhyme sich aufgeregt. Es gibt bei der forensischen Arbeit nichts Besseres als DNS-Spuren.
»Und was nützt uns das?«, fragte Sellitto. »Er hat die Stelle doch gereinigt.«
»Aber womit?«, gab Pulaski zu bedenken, bevor Rhyme auf die Frage eingehen konnte. Der junge Beamte saß nach wie vor über seinen Fund gebeugt. »Vielleicht mit Spucke. Die wäre so gut wie Blut.«
Rhyme gelangte zu demselben Schluss. »Versuchen Sie es mit der alternativen Lichtquelle.«
Damit ließen sich Körperflüssigkeiten wie Speichel, Sperma und Schweiß sichtbar machen, allesamt DNS-Träger.
Heutzutage wurden bei bestimmten Straftaten – zum Beispiel Sexualverbrechen – von allen Verdächtigen DNS-Proben genommen, oft auch schon bei geringeren Vergehen. Falls der aktuelle Täter in dieser Hinsicht bereits einmal auffällig geworden war, würde sein genetisches Profil in der CODIS-Datenbank gespeichert sein, dem Combined DNA Index System des FBI.
Pulaski setzte eine eingefärbte Brille auf und leuchtete die fragliche Stelle ab. Ein winziger Teil davon schimmerte gelblich. »Ja, Sir, da ist tatsächlich was«, rief er. »Aber nicht viel.«
»Grünschnabel, wissen Sie, aus wie vielen Zellen der menschliche Körper besteht?«
»Tja, äh … nein, weiß ich nicht.«
»Mehr als zehn Billionen.«
»Ganz schön
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