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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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Explosion, und Edmund wusste, der Bordschütze war tot. Zwei Männer krabbelten aus dem zerstörten Fahrzeug. Einer von ihnen brannte.
    Eine weitere Explosion – Schreie »Granatwerfer!« und »Sanitäter!«  –, und plötzlich fanden sich Edmund und seine Männer unter Beschuss aus kleinkalibrigen Waffen und raketengetriebenen Granaten.
    Die Zeit schien in Sprüngen zu vergehen – das Poppitti-poppop des erwiderten Feuers, der metallische Donner von Edmunds Bordschützen, der über seinem Kopf wild drauflosschoss. Dann der Rhythmus von Stiefeln auf der Straße, Schreie: » Runter, runter!«, und Edmund kauerte plötzlich hinter der Ecke eines Gebäudes und sah seine Umgebung im Grün seines Nachtsichtgeräts.
    Weiteres Gewehrfeuer, und Edmund spähte in die Seitenstraße, während ein Humvee an ihm vorbeirollte, dessen Bordschütze auf fliehende Aufständische feuerte. Es war eine Falle. Edmund und seine Leute hatten so etwas vorher schon erlebt. Edmund funkte, dass der Humvee seine Position halten sollte. Er tat es und feuerte weiter die Straße entlang, und ein Stück weiter vorn explodierte eine Sprengfalle.
    Dann liefen Edmund und drei seiner Männer auf der Hauptstraße entlang, bogen um die Ecke des nächsten Blocks; das Hin und Her von Befehlen, die Meldungen zur Einschätzung von Stärke und Position des Feinds, die Bitte um Verstärkung über Funk.
    Sie waren in den südlichen Stadtvierteln, nicht weit von dem kleinen bewaldeten Park der Stadt entfernt, hinter dem es noch Inseln von Ackerland gab und dann die Wüste. Wir müssen sie abfangen, bevor sie den Park erreichen, dachte Edmund. Position beziehen und sie niedermähen, ehe sie sich zwischen den Bäumen verlieren und dann weiß der Himmel wo.
    Edmund ließ seine Männer in Spurts von drei bis fünf Sekunden Dauer vorwärtsstürmen, bei denen sie sich gegenseitig Deckung gaben, bis sie die einzelnen engen Gassen zwischen den Häusern passiert hatten. Edmund war am Ende der Reihe und wollte gerade seine nächste Position einnehmen, als er in seinem Nachtsichtgerät etwas Merkwürdiges aus der Gasse auf sich zukommen sah. Instinktiv trat er einen Schritt vor und hob die Waffe – aber als sein Verstand endlich registrierte, was er sah, erstarrte Sergeant Edmund Lambert.
    Es war ein großer männlicher Löwe.
    Edmund hatte die Geschichten vom Beginn des Kriegs gehört; er wusste, dass in den Tagen unmittelbar vor und nach der U S -geführten Invasion der Anblick von Tieren, die durch die Straßen Bagdads spazierten, ganz normal war. Die meisten waren entweder geflohen oder von Plünderern aus dem Zoo von Bagdad befreit worden, der eine große Zahl von Löwen beherbergt hatte. Viele der großen Katzen waren von amerikanischen Soldaten in gepanzerten Fahrzeugen zusammengetrieben worden, andere hatte man aus den Menagerien der Hussein-Familie sowie aus den entsetzlichen Bedingungen vieler Privatzoos gerettet.
    Doch die Gerüchte unter den Einheimischen waren nicht verstummt; Menschenfresser wollte man gesehen haben, angeblich einst im Besitz von Saddam Husseins Sohn Uday, der dafür berüchtigt war, seine Löwen mit dem Fleisch seiner Feinde zu füttern.
    Gerüchte, nur Gerüchte.
    Aber hier, nördlich von Mossul, so weit entfernt – es konnte nicht sein.
    Der Löwe war jetzt näher gekommen.
    Er blieb etwa vier Meter entfernt stehen und blickte über seine Schulter in die Gasse zurück. Edmund registrierte irgendwo im Hinterkopf, dass das Tier gut genährt aussah. Und im selben Augenblick, in dem ihm bewusst wurde, dass er keine Angst hatte, spürte er einen Knacks in seinem Kopf, der Löwe und die Gasse verrutschten schräg vor seinen Augen, und ihm klangen die Ohren mit einem hohen Ton. Er war sich undeutlich des Geräuschs von Geschützfeuer und von Schreien hinter ihm bewusst, fühlte sich aber vorwärtsgezogen, als hätte sich eine Hand auf den Lauf seines Gewehrs gelegt und würde ihn sanft nach unten drücken. Er ließ es fallen, hörte es jedoch nicht auf dem Boden aufprallen, da der sirrende Ton in seinen Ohren lauter wurde.
    Der Löwe drehte sich wieder zu ihm um, senkte den Kopf und kam näher – er sah aus Augen, die traurig und voll grünlich weißem Feuer waren, sanftmütig zu ihm auf. Edmund fühlte sich, als wäre die Luft um ihn zu Limettengelee geworden, seine Bewegungen waren schwerfällig und nicht seine eigenen. Ein Traum, ein Traum wirbelnder Schatten, von leuchtend grünen, zerbröselnden Ziegeln und eine Erscheinung, nein,

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