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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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es allein …«
    »Rally, beruhige dich. Ich weiß nicht, wovon zum Teufel zu redest.«
    »Hör zu, Eddie«, sagte der alte Mann erschöpft. »Ich will wirklich nicht am Telefon darüber sprechen – vor allem, da du für die Regierung arbeitest. Wann kommst du nach Hause?«
    »Mein Rückflug ist in einer Woche geplant.«
    »Und früher kannst du nicht kommen?«
    »Ich werde sehen, was ich tun kann.«
    »Eddie, ich erzähle dir das alles nur, damit du nicht schockiert bist, wenn du heimkommst. Ich dachte, der Alte hätte es dir inzwischen selbst gesagt.«
    »Ich verstehe«, sagte Edmund. »Lagere ihn einfach auf Eis, bis ich zu Hause bin.«
    Als er auflegte, fühlte er sich gereizt und verwirrt, aber gleichzeitig seltsam leer. Er nahm an, er hatte seinen Großvater geliebt, aber er hatte es ihm nie gesagt. Wenn er ihn geliebt hatte, dann war diese Liebe von Angst gefärbt. Woher die Angst kam, konnte Edmund nie genau sagen. Claude Lambert hatte nie Hand an ihn gelegt, er war nie gewalttätig gewesen, war nie auch nur laut geworden ihm gegenüber – nicht einmal, als er aus dem Baseballteam geflogen war.
    Tatsächlich erschien es Edmund im Rückblick plötzlich so, als habe ihn Claude Lambert nach seiner Schlägerei mit dem Fänger überhaupt nicht mehr berührt – ihn nie umarmt oder ihm das Haar zerzaust, wie er es tat, als er ein Junge war. Es war fast, als hätte sein Großvater auch Angst vor ihm gehabt. Gut, manchmal, wenn der Alte zu lange im Keller gewesen war, quetschte er Edmunds Wangen zusammen und tastete mit dem Zeigefinger in seinem Mund herum. Wenn Edmund fragte, wozu das gut sei, sagte sein Großvater nur, er würde überprüfen, ob er gesund sei. Aber aus irgendeinem Grund glaubte ihm Edmund nicht.
    Und vielleicht war es das, dachte Edmund. Vielleicht kam die Angst vor seinem Großvater von dem Wissen, dass er den Mann, der zu seinem Hüter geworden war, nie wirklich kennen würde. Natürlich gab es auch eine Menge Dinge, die Claude Lambert nicht über Edmund wusste. Und oft fragte sich Edmund, ob dieses Gefühl, auf der Suche zu sein, nicht daher stammte – ob es nicht die Suche nach der einen Sache war, die die Distanz zwischen ihnen endlich überbrücken würde.
    Aber jetzt, da sein Großvater tot war, konnte das nicht mehr geschehen. Jetzt, da Rally ihm die Wahrheit darüber erzählt hatte, was in dem Keller vor sich gegangen war, wusste Edmund nicht recht, was er von alldem halten sollte.
    Er wusste nur, dass das Gefühl des Suchens noch immer da war.
    51
    »Ich habe arrangiert, dass Sie nach Hause fliegen können, Lambert«, sagte Edmunds vorgesetzter Offizier. »Wir können Sie auf dem nächsten Vogel nach Kuweit unterbringen.«
    »Nein, danke, Sir«, sagte Edmund. »Ich würde meine Zeit hier gern zu Ende absolvieren. Ich habe alles geregelt, damit wir das Begräbnis verschieben können. Es ist nur noch eine Woche, und meine Männer brauchen mich.«
    Das stimmte. Sein Regiment war für einen Sturm auf einen Stützpunkt der Aufständischen im südlichen Teil von Tal Afar an diesem Abend eingeteilt. Die nachrichtendienstliche Information war am Morgen hereingekommen, und Edmund hatte die Mission selbst organisiert – sie mussten schnell zuschlagen, bevor der Feind seine Position wieder verlegte.
    Aber seine Männer waren wütend auf ihn – sie fanden, das ganze Unternehmen kam zum falschen Zeitpunkt. Edmund konnte es ihnen nicht verübeln. Da nicht einmal mehr eine Woche bis zum Ende ihres Einsatzes blieb, wollte keiner von ihnen der Letzte sein, der ins Gras biss. Was Edmund Lambert anging, war das Ganze keine Frage. Er wusste, was er zu tun hatte.
    »Sind Sie sicher, dass Sie gedanklich voll bei der Sache sind?«, fragte sein befehlshabender Offizier. »Eine Menge Männer verlassen sich heute Abend auf Sie, Lambert.«
    »Ja, Sir«, erwiderte Edmund. »Mein Großvater und ich standen uns nicht sehr nahe.«
    Später an diesem Abend brachen Edmund und seine Einheit in einem Konvoi nicht gepanzerter Humvees auf, die sie über eine Hauptstraße an den Stadtrand bringen sollten, etwa eine Viertelmeile von ihrem Ziel entfernt. Die restliche Distanz würden sie zu Fuß zurücklegen.
    Alles war nach Plan gelaufen, bis der Konvoi etwa hundert Meter von dem Punkt entfernt, an dem die Männer abgesetzt werden sollten, über eine Kreuzung fuhr.
    Edmund beobachtete entsetzt, wie der Humvee an der Spitze des Zugs frontal von einem zischenden weißen Streifen getroffen wurde. Dann kam die

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