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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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sank. Und eine leise Stimme in ihrem Hinterkopf ertönte: Endlich, Cindy, endlich.
    56
    Markham saß in der engen Zeugengalerie und blickte nicht in die Hinrichtungskammer, sondern auf seinen Handrücken. Ein Wachmann hatte sie mit einer Tinte gestempelt, die unter Schwarzlicht leuchtete. »Ohne den dürfen sie nicht rein«, hatte er gesagt. Markham wusste nicht einmal genau, was auf dem Stempel stand, im harten Neonlicht sah er keine Spur davon, und seine Kehle zog sich zusammen, wenn er an den bizarren Zufall dachte, an diese Verbindung zwischen ihm und Randall Donovan.
    Ich bin zurückgekehrt. Ich bin zurückgekehrt. Ich bin zurückgekehrt.
    Sie hatten ihm Geldbeutel, Schlüssel und seinen BlackBerry abgenommen und ihm eine gelbe Marke mit der Aufschrift ZEUGE gegeben, die er um den Hals tragen musste. Außerdem hatten sie ihn mit einem Metalldetektor von Kopf bis Fuß abgesucht. »Sie dürfen nur die Uhr mit hineinnehmen«, hatte der Wachmann gesagt. »Damit sie die genaue Zeit feststellen können, wenn Sie wollen.«
    » Als Hilfe dabei, einen Schlussstrich zu ziehen «, würden seine Schwiegereltern wohl sagen.
    Er hatte seit seiner Ankunft in Connecticut am späten Nachmittag kaum mit ihnen gesprochen. Sie hatten sich zunächst alle im Haus seiner Kindheit in Waterford versammelt – Michelles Eltern, ihr Bruder, eine Cousine, mit der sie aufgewachsen war –, aber schon vor ihrem Eintreffen hatte sich Markham gefühlt, als würde er nicht hierhergehören. Seine Eltern hatten sein altes Zimmer so belassen, wie es zu seiner Highschool-Zeit gewesen war, aber die Vorstellung eines Nickerchens, bevor Michelles Familie kam, war ihm unpassend erschienen, als würde er auch dort nicht hingehören.
    Und so hatte Markham die Zeit mit seinen Eltern im Wohnzimmer verbracht, und als dann alle da waren, hatten sie zusammen gewartet, absurderweise von Häppchen genascht, die seine Mutter vorbereitet hatte, und Small Talk bis zur festgesetzten Zeit gemacht. Markham versuchte, nicht an den Pfähler zu denken, seine Rolle zu spielen und sich und den anderen einzureden, dass der Tod von Elmer Stokes einen Schlussstrich unter die Ermordung seiner Frau ziehen würde. Aber bald hatte er sich allein auf der hinteren Veranda wiedergefunden, wo er an einem Glas Rotwein nippte, während die Vergeblichkeit der ganzen Angelegenheit immer schwerer auf ihm lastete.
    Und jetzt auf der Zeugentribüne waren es nur seine Hand und das unsichtbare Leuchten im Dunkeln, das ihm gestattet zuzusehen.
    Eine gestempelte Beglaubigung der Götter, dass es jetzt an der Zeit ist, das Opfer zu bezeugen.
    Markham und die anderen waren kurz nach Mitternacht im Gefängnis eingetroffen. Sie waren in einem Wartebereich über die Prozedur und das vorgeschriebene Verhalten unterrichtet worden, dann hatte man sie in die enge Zeugengalerie geleitet.
    »Wie Sie von dem Gefängnispsychologen gehört haben«, hatte der Wärter gesagt, »müssen Sie während der ganzen Zeit sitzen bleiben. Lautes Reden ist nicht gestattet, und es werden keinerlei Gefühlsausbrüche hingenommen, nicht einmal von unmittelbaren Angehörigen. Solches Benehmen führt zu einem sofortigen Verweis von der Zeugentribüne. Nach Abschluss der Hinrichtung dürfen Sie die sterblichen Überreste noch etwa dreißig Sekunden lang betrachten.«
    Und nun, da Markham auf seinen Handrücken starrte, fragte er sich, ob der Pfähler den Zusammenhang zwischen der unsichtbaren Schrift und Randall Donovan ebenfalls sehen würde. Er blickte von seiner Hand durch den venezianischen Spiegel in die Hinrichtungskammer; von seinem Aussichtspunkt aus konnte er die Fenster der anderen drei Tribünen sehen, die sie umgaben. Hinter einem von ihnen saß Elmer Stokes’ Mutter, hinter einem anderen die Presse und »offizielle« staatliche Zeugen. Markham wusste nicht, wer hinter dem vierten Fenster war. Die Wärter ?, dachte er. Du meinst die Götter, konterte eine Stimme mit schwerem Neuengland-Akzent. Und dann blitzten in seinem Kopf ein Sternenmeer, das Universum und ein Bild von sich selbst auf, wie er in der Hinrichtungskammer lag und aus dem Fenster sah, als wäre es das Bullauge eines Raumschiffs. Markham wusste, was da draußen im All auf ihn wartete: die Teams des Sondereinsatzkommandos, die Gegner wie Befürworter von Stokes’ Hinrichtung zurückdrängten, und weiter entfernt, in Raleigh, die Masse der gesichtslosen Militärangehörigen, von denen einer mit Sicherheit sein Mann war.
    Elmer Stokes wurde Punkt

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