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Opfermal

Opfermal

Titel: Opfermal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Funaro
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stimmte: Sie sollte wütend auf Edmund Lambert sein – aber sie war es nicht. Und da war dieses sonderbare Gefühl in der Magengrube: eine dumpfe Empfindung von Unvermeidlichkeit, die sie zugleich erschreckte und erregte – die seltsam befreiend wirkte, aber gleichzeitig so, als würde sie in einer Gummizelle durchdrehen.
    » Fort, verdammter Fleck, fort, sag ich«, schrie Cindy und fuhr sich mit der Hand in das verfilzte schwarze Haar – und plötzlich hörte sie George Kiernans Stimme in ihrem Kopf rufen: »Jetzt hast du es!«
    58
    Der General fand, dass sich Edmund Lambert bei Ereshkigal sehr gut gehalten hatte; denn wenn Cindy Smith tatsächlich Ereshkigal war, dann durfte sich der General nicht verführen lassen, wie es der Prinz vor langer Zeit getan hatte. Sicher, das war der Anfang von Nergals Liebe – wenn man es so nennen konnte – zu der Göttin gewesen, aber es war auch das Ende seiner Herrschaft im Reich der Lebenden gewesen. Und in dieses Reich der Lebenden wollte Prinz Nergal zurückkehren, um erneut seinen Thron unter der Sonne zu besteigen und sich verehren zu lassen.
    Doch der Prinz brauchte den General, um zurückzukehren, ebenso sehr wie der General den Prinzen brauchte. Der General war der letzte Eingang, und durch ihn würde nicht nur der Prinz wieder zu einem lebenden, atmenden Gott werden, sondern der General würde durch den Eingang auch in die Hölle und zurück reisen können. Der General war sich noch immer nicht ganz darüber im Klaren, wie am Ende alles funktionieren würde – das waren Dinge, die er noch nicht verstand –, aber es würde funktionieren. Davon war er überzeugt. Der Prinz hatte es ihm in seinen Visionen enthüllt, und zuvor hatte es ihm die Gleichung verraten. 9:3 oder 3:1, je nachdem, wie man es betrachtete.
    Ja, das war tatsächlich der Schlüssel: Wie man es betrachtete. Und wollte man genau bestimmen, wie Ereshkigal in die Gleichung passte, so dachte der General, kam es folglich auch darauf an, wie man sie betrachtete. Darüber dachte er auf seiner Heimfahrt von Greenville lange und angestrengt nach, aber erst als er an den zerfallenden Feldsteinsäulen seiner Einfahrt vorbeikam, blitzte die Antwort in seinem Kopf auf.
    Natürlich!, dachte er. Ereshkigal musste zur Gleichung gehören, wenn man alles von der anderen Seite des Eingangs betrachtete. Nur mit Ereshkigal konnte die Gleichung 3:1 in der Hölle aufgehen – der General, seine Mutter, Ereshkigal auf einer Seite des Doppelpunkts, der Prinz auf der anderen. Und vielleicht war der Doppelpunkt selbst ein Symbol für den Eingang, was bedeutete, die Zahlen zeigten ihre relative Position nach der Rückkehr des Prinzen an.
    Aber wie würde das am Ende funktionieren?
    Unnötig, sich jetzt den Kopf darüber zu zerbrechen, dachte der General leichten Herzens. Nein, das Wichtigste war, dass Ereshkigal schließlich doch in die Gleichung passte. Tatsächlich hatte die Antwort so nahegelegen, dass der General buchstäblich lachen musste, weil er sie nicht früher gesehen hatte.
    »Aber ich muss immer noch vorsichtig sein«, flüsterte er für sich, als er das Haus betrat. Das Konzept der Vorsicht wohnte der Gleichung selbst inne. Der General wusste zum Beispiel immer, dass er den Thron zu seinem eigenen Schutz durch den Eingang würde mitnehmen müssen. Das gehörte zur Legende. Und deshalb, dachte er, würde er auch den Thron brauchen, um seine Mutter zu beschützen und sie zurückzutragen, während der Prinz mit seiner eigenen Rückkehr beschäftigt war. Das war der Plan; es würde heikel genug werden – aber jetzt war da auch noch Ereshkigal. Er würde die Treffen mit ihr und seiner Mutter bis zum letzten Moment geheim halten müssen. Der Prinz war auf jeden eifersüchtig, der mit seiner Prinzessin sprach; noch eifersüchtiger aber war der Prinz, wenn jemandes Treue einer anderen Person als ihm galt.
    War das nicht schließlich der Grund gewesen, warum der Prinz Edmund Lambert überhaupt die Mutter weggenommen hatte? Damit niemand mehr da war, den der Junge verehren konnte, außer ihm selbst?
    Als der General den Löwenkopf zu tragen begann, hatte er zunächst gehofft, dass der Prinz – wenn er sah, wie loyal er war – Edmund Lamberts Mutter schließlich aus der Hölle freilassen würde. Prinz Nergal hatte so etwas zwar noch nie getan, denn er war gierig nach seinen Seelen, aber vielleicht, nur vielleicht, würde er im Fall des Generals ja eine Ausnahme machen.
    Aber je mehr Zeit verstrich, desto

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