Opfermal
Bauchansatz entwickelt hatte, sah Markham jung und schlank aus. Trotzdem hatte er nichts körperlich Bemerkenswertes an sich, und nichts, was über ihn bekannt war, deutete darauf hin, dass er in der Lage wäre, ein ein Meter neunzig großes Monster wie Briggs zu überwältigen.
Schaap sah auf die Uhr: 19.30. Sein Magen ächzte, und er trank einen Schluck warmes Bier. Es war erst seine zweite Flasche, aber nachdem er sich seit einer halben Stunde daran festhielt, schmeckte das Bier schal und sauer.
In Gedanken ging Schaap seine Untersuchung Donovans noch einmal durch – die leuchtend rosa Symbole liefen wie ein Börsenticker vor seinem geistigen Auge vorbei. Ja, sie würden ein Problem haben mit diesem Kerl, Schaap fühlte es. »Vlad« nannten ihn die Jungs in der Außenstelle Raleigh bereits. »Vlad der Pfähler.«
Einfach wunderbar.
Schaap seufzte, schwenkte seinen Rest Bier und ermahnte sich, Markhams Verspätung um eine halbe Stunde nicht persönlich zu nehmen. Er zog seinen Ehering ab und ließ ihn auf dem Tisch hüpfen. Er war inzwischen seit über einem Jahr geschieden, aber aus irgendeinem Grund konnte er sich immer noch nicht von dem breiten Platinring trennen und ertappte sich oft dabei, wie er mit ihm spielte, wenn er aufgewühlt war.
Platin. Seine Ex hatte auf Platinringen für sie beide bestanden. Es war das stärkste aller Metalle, hatte sie gesagt, und symbolisiere die Stärke ihrer Verbindung. Hatte einen Scheißdreck genutzt. Sie war eines Morgens einfach aufgewacht und hatte verkündet, sie wolle nicht länger verheiratet sein. Markham hatte versucht, sie zu einer Eheberatung zu bewegen, aber sie wollte nichts davon wissen. Er fragte sich, ob sie ihn hintergangen hatte, konnte aber nie etwas beweisen. In gewisser Weise wünschte er, sie hätte jemand anderen gebumst. Dann wüsste er wenigstens, was passiert war. Denn das war das Schwerste dabei – nicht zu wissen, was zum Teufel er falsch gemacht hatte, warum sie ihn nicht mehr liebte.
Sicher, er durfte sich jetzt nicht mehr um sie scheren, aber es war die Art und Weise, wie sie ihn am Schluss übers Ohr zu hauen versuchte – fast als glaubte sie, er sei derjenige, der fremdgegangen war. Sie hatte das Haus und die Kinder bekommen, eine satte Unterhaltszahlung natürlich, aber der Richter hatte ihr gerade noch den Ring verweigert. Das war der Grund, warum Schaap ihn immer noch trug. Er hatte eine Weile mit dem Gedanken gespielt, ihn für die Größe seines Mittelfingers erweitern zu lassen, sich am Ende aber dagegen entschieden. Er dachte, seine Frau würde die Botschaft auch so verstehen, wenn er die Kinder abholte und sie den Ring an seiner Hand sah.
Schaap hatte den Ring gerade wieder übergestreift und wollte ein neues Bier bestellen, als er Markham am nicht besetzten Empfangspult stehen sah. Schaap fand, er wirkte kleiner als auf dem Foto: gepflegter Haarschnitt, gemeißelte Züge, das Kinn betonter. All-American Apple-Pie , sagte er zu sich und merkte sich vor, ein Dessert zu bestellen.
Schaap winkte ihn zu sich.
»Entschuldigung, dass ich Sie warten ließ«, sagt Markham. »Ich habe mich in der Zeit vertan. Ich bin zu den Fundorten hinausgefahren und habe länger gebraucht, wieder in die Stadt zu kommen, als ich dachte. Ich habe Ihnen eine Nachricht hinterlassen, aber die haben Sie anscheinend nicht bekommen. Sam Markham, übrigens.«
Die Männer schüttelten sich die Hand.
»Wahrscheinlich kein Empfang hier drin«, sagte Schaap. »Und nennen Sie mich Schaap.«
Markham rutschte in die Sitzbank gegenüber von ihm.
»Darf ich Ihnen etwas zu trinken bestellen?«, fragte Schaap und winkte dem Kellner. »Einen Appetizer oder etwas?«
»Ein Bier wäre gut. Und kein Appetizer. Man hat mir gesagt, die Steaks hier seien die besten in der Stadt, und ich will sichergehen, dass ich jeden Cent meines Tagessatzes auskoste.«
»Verstanden«, sagte Schaap, lachte und bestellte für sie beide. Und beim Small Talk über einer frischen Runde Bier fand Schaap seinen neuen Partner ganz angenehm und bodenständig – und viel weniger grüblerisch und »intellektuell«, als er nach all dem Gerede auf den Dienstfluren erwartet hätte.
Aber nachdem die Bedienung ihr Abendessen gebracht hatte, wurde Markham stiller und rührte sein Steak kaum an, und Schaap begann sich zu fragen, ob der gefeierte Profiler aus Quantico einfach nur geschauspielert hatte, um ihn zu entwaffnen.
»Ich nehme an, der Bericht über diesen Pfahl ist schon da?«, fragte
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