Opfermal
seine Innentasche. »Kommt dir dieser Typ vielleicht bekannt vor?«
Markham reichte ihm ein Bild von Billy Canning. Der Junge überflog es rasch.
»Nein«, sagte Diego und gab ihm das Foto zurück. »Wie gesagt, Jose und ich standen uns nicht sehr nahe.« Ein Hauch von Bedauern lag in der Stimme des Jungen, beinahe Scham, dachte Markham. Er steckte das Bild wieder ein.
»Weißt du, wohin Jose gefahren sein könnte, in der Nacht, in der er verschwand?«, fragte er.
»Wenn Sie glauben, dass er diesen Anwalt wegen irgendwas getroffen hat, sind Sie noch bescheuerter als die Polizei. Das ist nämlich der einzige Grund, warum ihr alle wieder da seid. Wegen diesem Anwalt. Sie haben diesen Wichser auf dieselbe Art umgelegt wie Jose. Nur deshalb seid ihr jetzt alle wieder so besorgt wegen Jose, nachdem sich zwei Monate keiner von euch hat blicken lassen.«
»Es hat eine neue Entwicklung gegeben«, sagte Markham. »Und ich versichere dir, ich tue mein Bestes, den Mörder deines Bruders zu …«
Markham bemerkte, dass etwas Diego ablenkte. Er folgte dem Blick des Jungen und sah ein kleines Mädchen beim gegenüberliegenden Treppenhaus. Sie hatte eine Katze in den Armen.
»Geh in die Wohnung, Marla«, sagte Diego. Das Mädchen rührte sich nicht. »Hast du gehört, was ich sage? Oder willst du noch eine Tracht Prügel, bevor Papa nach Hause kommt?«
»Tante hat gesagt, ich darf Paco suchen gehen, tu pendejo. «
Markham musste unwillkürlich lächeln. Er wusste aus seiner Zeit in Tampa, dass pendejo so viel wie »Blödmann« bedeutete.
Diego bewegte sich nicht – er warf nur einen Blick zu Markham und fragte ironisch: »Darf ich jetzt gehen, Sir?«
»Ja. Aber sag deiner Tante, dass ich deine Schwester reinschicke, wenn ich mit ihr gesprochen habe.«
Diego nickte und schlurfte in die Wohnung zurück, ohne sich noch einmal umzudrehen. Markham ging auf das Mädchen zu.
»Das ist eine hübsche Katze«, sagte er. »Wie heißt sie?«
»Paco. Es ist ein Kater.«
»Wie alt ist er?«
»Papa sagt, er ist ungefähr ein Jahr alt, aber eigentlich weiß es niemand genau. Er war ein Streuner und hat schon hier gelebt, bevor wir eingezogen sind. Aber mich mag er am liebsten. Sind Sie Polizist?«
»Nein, ich bin vom FBI . Weißt du, was das FBI ist?«
»Ich glaub schon. Es ist wie die Polizei, nur dass Sie für den Präsidenten arbeiten.«
»Das stimmt«, sagte Markham und lächelte.
»Gehört das schwarze Auto da draußen Ihnen oder dem Präsidenten?«
»Ich wünschte, es wär meins, aber der Präsident leiht es mir nur.«
»Hat Diego Sie gefragt, ob er sich reinsetzen darf?«
»Nein, wieso?«
»Weil Diego immer zu Hector sagt, er kauft sich einen Ford Explorer, wenn er seinen Führerschein hat. Der Ford Explorer sieht irgendwie aus wie Ihr Auto. Diego sagt, er kauft sich einen schwarzen, so wie Ihrer, und lässt als Allererstes Hector mitfahren. Hector ist mein Cousin. Er ist älter als ich.«
»Das war aber nicht sehr nett, was du vorhin zu Diego gesagt hast.«
»Tut mir leid, aber Diego hat Paco absichtlich hinausgelassen, als es geregnet hat, nur um gemein zu mir zu sein. Die Polizisten, die gekommen sind, nachdem Jose gestorben ist, die haben Spanisch gesprochen, aber Sie … na ja, Sie haben nicht ausgesehen, als könnten Sie Spanisch.«
»Ich kann es auch nicht. Nur ein paar Worte. Dein Englisch ist viel besser als mein Spanisch.«
»Papa mag es nicht, wenn wir zu viel Spanisch reden. Nur wenn er uns nicht versteht. Er will, dass wir Englisch lernen, damit wir eines Tages aufs College gehen können. Diego sagt, er geht nicht aufs College. Er wird Rapper oder DJ , aber selbst sein Englisch ist besser als das von Papa. Sie verraten Papa aber nicht, was ich zu Diego gesagt habe, oder?«
»Nein. Das ist ein Geheimnis zwischen uns. Du heißt Marla?«
»Ja.«
»Ich bin Sam Markham. Du weißt, warum ich hier bin?«
»Haben Sie unseren Computer zurückgebracht?«
»Euren Computer?«
»Ach so«, sagte das Mädchen enttäuscht. »Anscheinend nicht. Ich dachte, wir bekommen endlich unseren Computer zurück. Die Polizisten haben ihn weggebracht, als Jose gestorben ist. Papa hat vor ein paar Wochen deswegen angerufen, und sie sagten, sie müssen ihn als Beweismittel behalten. Diego sagt, sie haben ihn wahrscheinlich verkauft und das Geld behalten, aber ihm ist es egal, weil Hector einen Computer hat. Ich darf ihn kaum benutzen, weil sie dauernd davorhocken. Wissen Sie, ob die Polizei ihn noch hat,
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