Opferschrei
tat, als würde sie schreiben.
»Wir waren uns näher als irgendjemand sonst auf der Welt«, sagte Blank. »Im folgenden Monat haben wir die Wohnung kaum verlassen, nur wenn wir …«
Rita bewegte den Stift gleichmäßig. Ihr fiel auf, dass ihr sinnloses Gekritzel aus irgendeinem Grund anfing auszusehen wie arabische Schriftzeichen. Die Sitzung mit David Blank folgte nun dem üblichen Muster, und sie hörte nur mit halbem Ohr zu, während sie dachte: Lügen, Lügen, Lügen …
Außer in den ersten zehn Minuten …
Wenn er fort war, würde sie das Band zurückspulen und sich den ersten Teil der Sitzung noch einmal genau anhören. Es war nicht so sehr das, was er gesagt hatte, sondern sein erleichterter, heiterer Ton, als ob ein großer Druck von ihm abgefallen wäre.
Noch immer hatte Blank nicht den wahren Grund seines Kommens preisgegeben, sein wirkliches Problem. Es waren nicht die üblichen Ablenkungsmanöver, die sie von vorsichtigen Patienten kannte. Sie wusste, was er tat: Er breitete das Rätsel vor ihr aus, damit sie sich daran versuchen konnte. Und ein Teil von ihm hoffte verzweifelt, dass sie es lösen würde, weil er wusste, dass der schreckliche Druck zurückkehren würde und er sich davor fürchtete. Brummen. Ordnung und Farbe. Passt und sieht gut aus. Die Psychose als ein Gemälde. Und David Blank wusste, dass die Farben und Formen wieder anfangen würden, sich im Chaos aufzulösen.
Die Vermischung unterschiedlicher Sinneseindrücke war etwas, was wirklich interessant war. Wenn es denn wirklich so war.
Er schien sich sicher zu sein, dass Dr. Rita Maxwell seine Antwort war, dass sie ihm helfen konnte und irgendwann auch würde, ihn vielleicht rettete. Doch zunächst musste sie herausfinden, was er ihr verschwieg. Wer ist Carol?
Früher oder später würde Rita es herausfinden. Wie und warum er auch immer seinen Weg zu ihr gefunden hatte, so hatte David Blank – wer immer er war – wer immer Carol war – sich die richtige Analytikerin ausgesucht.
Sie musste sich nur in Geduld üben. Sie machte Fortschritte. Langsam lernte Rita immer mehr, Stück für Stück, und am Ende würde sie das Rätsel um David Blank lösen.
Quinn saß auf der harten Holzbank am Eingang des Central Parks und sah den Joggern und Fahrradfahrern zu. Eine attraktive Frau Anfang zwanzig radelte auf einem Mountainbike an ihm vorbei, etwas, das in einer Stadt, die so flach war wie ein Monopoly-Brett, jeder brauchte. Quinn sah zu, wie ihre anmutige Silhouette kleiner wurde, als sie sich in die Pedale stellte, um Geschwindigkeit aufzunehmen. Ihre Hüften schwangen dabei hin und her, und ihr Haar glänzte in der Sonne. Er fragte sich, wie ihr Leben wohl aussah. Vielleicht war sie Studentin an der NYU oder eine junge Berufseinsteigerin, eine Ehefrau, eine Mutter, eine Schauspielerin, eine Musikerin oder Malerin, eine Hure oder ein Cop außer Dienst. Das menschliche Geheimnis.
Er beschloss, dass es an der Zeit war, die Medien für ihre Zwecke zu nutzen.
Dave Everson war ein Journalist bei der Times , der Quinn vor langer Zeit einmal seine Durchwahl in der Redaktion gegeben hatte. Everson war ein Journalist, zu dem Quinn Vertrauen hatte, und er konnte die Nummer immer noch auswendig. Er zog sein Handy aus der Tasche, die neben ihm auf der Bank lag, und wählte zum ersten Mal seit Jahren die Nummer.
»Ich will verdammt sein«, sagte Emerson, nachdem Quinn sich gemeldet hatte. »Lang nichts mehr gehört!«
»Zu lang«, entgegnete Quinn.
Everson war nicht dumm; er wusste, dass Quinn nicht ohne Grund anrief. »Also, wie kann ich Ihnen helfen?« Seine Stimme klang ein wenig aufgeregt.
»Feuer.«
Everson lachte. »Bei Ihnen brennt’s doch bereits, oder?«
»Für jemand anderen«, sagte Quinn.
»Ah … Ich schätze, es gibt Bedingungen.«
»Sie werden es als Erster erfahren, wenn uns ein Durchbruch gelingt, Dave.«
»Und sie wollen dafür anonym bleiben.«
»Nein, ich will, dass das Arschloch weiß, dass ich ihm auf den Fersen bin.«
»Hey, das ist ja noch viel besser. Ein Zweikampf. Ich mag Sie wirklich, Quinn.«
»Ich kann ganz liebenswürdig sein. Sind wir im Geschäft?«
»Fahren Sie fort.«
Claire Briggs runzelte die Stirn und überprüfte noch einmal das Ergebnis.
Blau. Wieder. Kein Fehler.
Sie war schwanger. Sagte zumindest der Schwangerschaftstest.
Sie musste es irgendjemandem erzählen, aber nicht vor Jubal. Er musste der Nächste sein, der es erfuhr.
Um vier kam Jubal zurück von seinem Vorsprechen, das er um
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