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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Hinsicht so vollkommen, so absolut perfekt. Ihre Üppigkeit, das endlose und wunderbare Spektrum ihrer Farben. Ein Mann wie Leon, ein einfacher Händler, dessen Arbeit sein Leben war, würde niemals, nicht in tausend Jahren, verstehen können, wie Lisa wirklich war. Er handelte mit wertvollen Steinen und wusste nicht, was wirklich wertvoll war, obwohl er es direkt vor seiner Nase hatte.
    Ein Mann wie er verdiente es nicht anders, als zu sterben.
    Ja, es gab keinen Zweifel, wer die Nächsten waren. Der Night Prowler konnte spüren, wie sich das tödliche Wissen in ihm rührte, als ob etwas in ihm geboren wurde und anfing, schnell und schonungslos zu wachsen. Noch hatte es kaum Macht und war harmlos, aber bald schon würden ihm Zähne und Klauen wachsen. Und es würde seinen Willen bekommen.
    Er presste das gefaltete Tuch fest an seine Nase und inhaliere tief, aber das Benzol verlor seine Wirkung, und er spürte, wie er einfach einschlief.
    Kurz vernahm er das Brummen, aber es ebbte gleich wieder ab.
    Und er träumte, unfähig, ihr jetzt noch zu entkommen: Lisa, in der Badewanne stehend, kurz davor, sich ins warme Wasser zu setzen. Lisa, nackt auf der Treppe, als ob man die Frau aus Picassos Gemälde entwirrt und richtig zusammengesetzt hätte. Lisa beim Blumengießen. Lisa schlafend im Bett, mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. Lisas Haare und Augen und Haut und Lippen, ihr Blick und ihr Lächeln … die Musik ihrer Farben und ihres Gangs. Ihres zukünftigen Schmerzes. Stöhnende Lisa …
    Er erkannte, dass Schicksal und Traum eins waren.
    Detective Quinn, Lisa Ide. Was ich weiß und ihr nicht wisst.
    Bald bist du berühmt, Lisa.

34
    Als Quinn erwachte, duftete es nach Kaffee und gebratenem Speck.
    Sofort erinnerte er sich an die letzte Nacht – Pearl.
    Jetzt war sie in der Küche und machte Frühstück. Er hatte nicht gewusst, dass Pearl so häuslich sein konnte. Die Pearl, die sich ihm letzte Nacht gezeigt hatte, war allerdings eine größere Überraschung gewesen.
    Er kletterte nackt aus dem Bett und tapste schwerfällig in Richtung Bad.
    »Quinn?« Pearls Stimme aus der Küche ließ ihn innehalten. Sie muss gehört haben, wie der Boden geknarzt hat.
    »Hm?« Seine vom Schlaf belegte Stimme ließ es wie ein Knurren klingen. »Ja?« Schon besser. Zivilisierter.
    »Du hast noch Zeit, dich vor dem Frühstück zu rasieren und zu duschen.«
    »Aha.« Er setzte seinen Weg ins Badezimmer fort.
    Als er geduscht und rasiert war, strich er seine nassen Haare zurück, ging ins Schlafzimmer und wühlte in den Schubladen seiner Kommode, bis er einen alten Bademantel fand, den er seit Jahren nicht getragen hatte. Der Gentleman in seinem Morgenrock. Er zog den Bademantel über, konnte aber seine Hausschuhe nicht finden, deshalb tappte er barfuß in die Küche.
    Pearl stand am Herd und hielt einen Pfannenwender in der Hand. Sie hatte versucht, ihre Haare zu kämmen, aber es war immer noch platt vom Schlafen. Sie trug die gleichen Kleider wie tags zuvor. Sie sahen aus, als hätte Pearl sie die ganze Woche über getragen. Die Bluse hatte Falten, die vermutlich kein Bügeleisen je wieder wegkriegen würde. Das war keine Frau, die aussah, als gehöre sie in eine Küche. Dennoch hatte sie den Tisch ordentlich gedeckt, auf den Tellern lag knuspriger Speck und in der Pfanne brutzelten Eier.
    »Ich dachte, du willst vielleicht in einem Café frühstücken«, sagte er.
    Die Glaskanne in der Kaffeemaschine war voll. Zwei saubere Tassen standen daneben. Er ging hinüber und schenkte sich eine Tasse des starken schwarzen Gebräus ein. Nirgends war Milch zu sehen. Woher weiß sie, dass ich meinen Speck knusprig mag und meinen Kaffee schwarz trinke? Sie muss mich die ganze Zeit über beobachtet haben.
    Pearl lächelte ihn an. »Zu Hause essen ist besser.«
    Zu Hause? »Ich dachte«, sagte Quinn, »dass wir im Café um die Ecke frühstücken und dann einen Spaziergang machen. Vielleicht kannst du dir irgendwo ein paar Klamotten kaufen.«
    Sie hob verwirrt eine Augenbraue. »Warum sollte ich Kleider kaufen wollen?«
    »Fedderman wird früher oder später hier auftauchen. Er wird sehen, dass du dieselben Kleider trägst wie gestern. Er wird wissen, dass du die Nacht hier verbracht hast.«
    Sei vorsichtig … Mach nicht gleich kaputt, was letzte Nacht passiert ist. »Das ist mir gleich. Eine oder beide Seiten gebraten?«
    »Beide Seiten. Mir ist es aber nicht gleich.«
    »Wenn du so darüber denkst … Soll ich das Eigelb

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