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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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was er dieser Frau, deren Mann versucht hatte, sie umzubringen, hätte sagen können, deshalb ging er.
    Nachdem Quinn weg war, schloss Claire die Wohnungstür ab und trottete zurück ins Schlafzimmer.
    Jubal! Wie konnte das nur passieren?
    Noch nie zuvor in ihrem Leben hatte sie sich so gefühlt, als ob sie ganz allein am Rande einer kalten Hölle stünde. Als ob sie irgendwie versagt hätte. Als ob sie an allem Schuld wäre.
    Liegt es an etwas, was ich getan habe?
    Oder nicht getan habe?
    Sie saß völlig gelähmt am Fußende des Betts und versuchte, nicht zu weinen.
    Liegt es an mir?
    Sie wollte schreien.
    Sie wollte sich wie ein Kind auf das Bett werfen und mit ihren Fäusten auf die Matratze einschlagen, bis sie nicht mehr konnte.
    Ihr Leid war eine Last, die sich nie wieder von ihren Schultern heben würde. Sie fühlte sich zu verzweifelt, um zu weinen, doch strömten ihr Tränen, die jemand anderem gehörten, über die Wangen.
    Sie wollte sterben.
    Das Baby!
    Sie wollte nicht sterben.
    Sie wollte Schokolade.
    Im Wandschrank neben der Tür wartete der Night Prowler.

69
    Der Night Prowler war sich ziemlich sicher, dass alle weg waren. Aber lieber auf Nummer sicher gehen.
    Deshalb stand Romulus, dessen richtiger Name Tom Wilde war, in der stickigen Dunkelheit und atmete den weißen, ätzenden Geruch von Mottenkugeln ein. Er wartete darauf, dass sein Atem sich wieder beruhigte, und lauschte auf Bewegungen oder Stimmen außerhalb des Schranks.
    Er hatte die Wohnung kurz vor Jubal betreten und war in Claires Schlafzimmer von dem großen, kräftigen Cop überrascht worden. Er hatte ihn mit dem Messer erwischt, was sein verdammtes Glück gewesen war, weil es dem wild entschlossenen Mistkerl zumindest ein wenig von seiner Kampfkraft genommen hatte.
    Der Cop hatte sich den ganzen Weg durch den Flur bis zum Wohnzimmer an ihn geklammert. In dem wilden Kampf und der Verwirrung, nachdem die anderen Cops hereingestürmt waren, war Wilde gegen den Garderobenschrank geschleudert worden. Er hatte gespürt, wie sich der Türknauf in seine Hüfte gebohrt hatte. Er hatte sich in der Dunkelheit umgedreht und im Schrank Zuflucht gesucht – einen Sekundenbruchteil, bevor das Licht angegangen war und sich als dünner, gelber Streifen unter der Tür gezeigt hatte.
    Er war sich sicher, dass sie ihn entdecken würden, und bereitete sich darauf vor, einen hoffnungslosen, verzweifelten Fluchtversuch zu unternehmen, als er hörte, wie die Cops ihre Aufmerksamkeit auf jemand anderen richteten.
    Es dauerte einige Sekunden, bis Wilde begriff, was passiert war – Claires Mann war unerwarteterweise heimgeflogen und hatte alle überrascht.
    Und war selbst überrascht worden.
    Sie hatten Jubal wohl an der Tür erwischt, als das Licht anging, und geschlossen, dass er die Wohnung gerade verlassen und nicht betreten wollte.
    Der Night Prowler wurde beinahe ohnmächtig vor Dankbarkeit. Er ist ich! Heute Nacht ist er ich!
    Wilde hätte lachen können, als er hörte, wie Jubal nach einem Rechtsanwalt verlangte, bevor er sich erklärte. Mit einer Anklage wegen Mordes war nicht zu spaßen, die Situation verlangte dringend nach einem Berater.
    Verdammt richtig! Das wusste Wilde seit Hiram, Missouri.
    Seit der Nacht, in der die Sands ermordet worden waren.
    Er hatte vermutet, dass Luther sich immer noch mit Cara traf, und war ihm zum Haus der Sands gefolgt. Als er nicht wieder herauskam, hatte er begriffen, dass er wohl dort schlief. Jahre zuvor hatte Wilde seinen Job als Lehrer wegen einer heimlichen Affäre mit einer seiner Kunstschülerinnen – Cara Smith – verloren, die später Milford Sand geheiratet hatte. Die Glut der Affäre war nie wirklich erloschen und war wieder aufgeflammt – zumindest in Tom Wilde.
    Eines Abends, als er nicht schlafen konnte, war er zum Haus der Sands gefahren, um Luther zum Gehen zu überreden, zu seinem eigenen Besten. Er hatte Licht in der Küche gesehen und Schreie gehört. Als er nach dem Ursprung des Tumults gesucht hatte, bescherte ihm das Schicksal nicht nur große Schmerzen, sondern gleichzeitig auch eine Chance.
    In seiner Wut war ihm alles so einfach erschienen, die verzweifelte Logik, die unzählige Männer vor ihm angetrieben hatte: Wenn Cara nicht ihm gehören konnte, dann sollte sie auch keinem anderen gehören.
    Die Szene in der Küche, ihre brillanten Farben, hatten sich lebhaft in Wildes Gedächtnis eingebrannt; das Blut, die unterbrochene Mahlzeit, die er förmlich schmecken konnte, die unterbrochenen

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