Opferschrei
Wohnungstür, und Fedderman wollte sich gerade dagegen werfen, als Pearl die Hand ausstreckte und am Türknopf drehte.
Die Tür öffnete sich zum Wohnzimmer hin, und sie erblickten die beiden großen Gestalten, die miteinander rangen.
Quinn ging als Erster hinein, dicht gefolgt von den beiden anderen. Er hörte, wie die Tür an der Wand abprallte, bevor sie krachend hinter ihnen ins Schloss fiel und selbst das schwache Licht aus dem Korridor ausschloss.
Keine Zeit jetzt dafür!
Er übernahm die Führung.
Campbells Atem entwich geräuschvoll aus seiner Brust, als etwas in seine Seite gerammte wurde. Er fiel rückwärts zu Boden, und der Night Prowler glitt ihm aus den Händen. Auf seine Knie und eine Hand gestützt kniete er am Boden.
Er wusste, was passiert war. Jemand war ihm zu Hilfe gekommen und hatte falsch geraten, welcher der beiden kämpfenden Schatten der Night Prowler war.
Ich nicht, verdammt! Nicht ich!
Doch Campbell konnte seine Worte nur innerlich schreien. Er versuchte immer noch, Luft zu holen, bevor sein Herz stehenblieb, als jemand ihn an seinem verletzten Arm packte. Irgendwie schaffte es ein Schmerzenslaut, aus seinem offenen Mund zu entweichen.
Anscheinend war das genug. Sein Arm wurde losgelassen und eine dunkle Stimme fragte: »Campbell?«
Campbell konnte endlich wieder Luft holen und sog gierig den Sauerstoff ein.
Immer noch unfähig zu sprechen, schob er seinen Schmerz beiseite und schaffte es, auf die Beine zu kommen. Um ihn herum konnte er Bewegungen hören, aber es hörte sich nicht nach einem Kampf an. Der Wichser wird es tatsächlich hier raus schaffen!
Campbell hatte verloren. Ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit und Niederlage ergriff so heftig von ihm Besitz, dass er am liebsten geweint hätte.
Das Licht ging an.
Pearl hatte einen Lichtschalter an der rauen Steinwand gefunden und ihn umgelegt.
Alle starrten mit weit aufgerissenen Augen in die gleisende Helligkeit.
An der Tür, mit einer Hand auf dem Knauf, stand Jubal Day und starrte zurück.
Campbell versuchte, einen Schritt auf Jubal zuzumachen, konnte aber seinen Körper nicht dazu bringen, seinem Willen Folge zu leisten. Du hast es nicht hinaus geschafft, du Dreckskerl. Ich hab dich geschlagen!
Jubal, genauso überrascht von der plötzlichen Helligkeit wie Campbell, stand ebenfalls bewegungslos da.
Jetzt, wo alle wie gelähmt waren, würde derjenige das Spiel gewinnen, der sich als Erster bewegte.
67
Fedderman stand Jubal am nächsten, deshalb hätte er derjenige sein können, der sich als Erster der Guten bewegte. Er machte einen großen Schritt und streckte eine Hand nach Jubal aus, doch Pearl kam ihm zuvor. Sie verpasste Jubal einen linken Haken und drängte sich zwischen seine Arme, sodass er nicht zum Gegenschlag ansetzen konnte. Er wich sofort zurück und hob kapitulierend beide Arme.
Pearl wirbelte ihn herum und drückte ihn mit der Brust und der rechten Seite seines Gesichts gegen die Wand. Er wehrte sich nicht, als sie seine Arme hinter seinen Rücken zog und ihm Handschellen anlegte.
»Das können Sie nicht tun!«, sagte er geschockt, als er spürte, wie die Handschellen in sein Fleisch einschnitten. Er drehte sich wankend um und blickte in die Runde.
»Natürlich kann ich«, sagte Pearl und hielt ihm ihre Marke vors Gesicht.
Die Tür ging auf, und die beiden Streifenpolizisten, die mit dem zweiten Aufzug heraufgefahren waren, kamen mit gezogenen Pistolen herein.
»Wir haben ihn«, sagte Pearl und bedeutete ihnen mit der Hand, ihre Waffen runterzunehmen. »Wir haben den Dreckskerl gekriegt, bevor er zur Tür hinaus konnte!«
»Jubal?«
Alle drehten sich um und sahen Claire in der Wohnzimmertür stehen. Sie lehnte sich an den Türrahmen und starrte verständnislos auf ihren Mann. »Du bist doch in Chicago …«
»Er ist hier«, sagte Quinn. »Und wegen Mordes verhaftet.«
»Hör nicht auf die Scheiße! Ruf mir einen Rechtsanwalt, Claire!«
»Jubal …«
»Ein Rechtsanwalt!«
Fedderman verlas seine Rechte, dann fasste er ihn über dem Ellbogen am Arm. Pearl hielt den anderen Arm.
»Mir fällt auf, dass Sie nicht fragen, ob Ihre Frau verletzt ist«, sagte Pearl zu Jubal. Als sie den Blick sah, den er ihr zuwarf, war sie froh, dass er Handschellen trug.
Quinn blickte hinüber zu Campbell. Sein linker Arm blutete, aber ansonsten schien er in Ordnung zu sein. Die Stichwunde sah nicht allzu ernst aus.
»Das Messer ist im Schlafzimmer«, sagte Campbell.
Quinn bat Fedderman, es einzutüten.
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