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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Leben … Wie schnell sich doch alles ändern, wie schnell doch alles vorbei sein konnte.
    Als Luther wieder zu Bewusstsein gekommen war, stand er immer noch unter Schock. Es war ein Leichtes gewesen, den betäubten und naiven jungen Mann davon zu überzeugen, dass er die Morde begangen hatte. Und natürlich würde ihm Tom Wilde, sein guter Freund und Mentor, zur Flucht verhelfen und ihn in seinem Boot flussabwärts in die Freiheit schicken.
    Und dieser Teil war die volle Wahrheit; Wilde wollte Luther wirklich helfen, davonzukommen.
    Doch Luther musste sich daran erinnert haben, was wirklich in der Küche der Sands geschehen war. In blinder Wut hatte er versucht, Wilde zu töten, doch er hatte es vermasselt. Es war Wilde gewesen, der das Boot vom Ufer abgestoßen hatte. Eine Meile flussabwärts war Luthers beschwerte Leiche zum Grund gesunken und nie entdeckt worden.
    Wilde hatte den Rat befolgt, den er Luther gegeben hatte: Er war in einer großen Stadt untergetaucht und hatte ein neues Leben angefangen.
    Es war nicht einfach gewesen, eine neue Identität zu kreieren. Es geschah nicht von einem Tag auf den anderen, aber es geschah. Wilde hatte einen Einfallsreichtum und ein Talent in sich entdeckt, von deren Existenz er bis dahin nur am Rande gewusst hatte.
    Aber über die Jahre war Wilde-Romulus immer mehr bewusst geworden, dass die Vergangenheit immer da war, als ob sie stromaufwärts hinter einer Flussbiegung liegen würde, unsichtbar, aber da, immer da, während die Zeit dahinfloss. Cara! … Claire! …
    Jetzt, verborgen im dunklen Schrank, dachte Wilde, dass genug Zeit vergangen war. Außerdem konnte es gut sein, dass die Polizei ihren Fehler bald bemerken und zurückkehren würde.
    Timing ist alles.
    Er war sich sicher, das gedämpfte Schlurfen von Füßen gehört zu haben, wahrscheinlich Claire, die zurück ins Schlafzimmer gegangen war. Seither hatte er kein Geräusch mehr von der anderen Seite der Schranktür vernommen. Sie war allein.
    Glaubte, sie wäre allein.
    Das Brummen …
    Er schluckte, holte tief Luft und machte sich bereit für das, was kommen würde.
    Bald.
    Die Polizei hatte das Messer zwar mitgenommen, aber in der Küche gab es andere. Viele andere.
    Sehr bald.
    Nacht. Schwarz. Rot.
    Der Aufzug hielt am Ende des Korridors im neunundzwanzigsten Stock.
    Als die Tür aufging, führten Pearl und Fedderman den in Handschellen gelegten Jubal hinein, und die drei stellten sich dicht zusammengedrängt an die hintere Wand der Kabine.
    Quinn stand mit dem Rücken zu ihnen und drückte auf den Knopf für die Lobby. Im Spiegelbild des polierten Bedienfelds betrachtete er seine beiden Detectives und Jubal Day. Quinn wirkte entspannt, aber er war zum Sprung bereit, falls Jubal in Panik ausbrach oder aus irgendeinem anderen Grund ausrastete. Das passierte manchmal. Der Tatverdächtige, seine hoffnungslose Zukunft vor Augen, beschloss plötzlich, auf sein Schicksal, seine Vergangenheit, seinen kranken Geist, auf jeden in seiner Reichweite einzuprügeln. Der Dämon in ihm versuchte ein letztes Mal zu entkommen.
    Die Tür glitt zu und der Aufzug begann seine Abwärtsfahrt.

70
    Jetzt!
    Lautlos drückte der Night Prowler gegen die Schranktür und öffnete sie einen Spaltbreit.
    Das Wohnzimmer lag immer noch im Dunkeln, aber irgendwo im hinteren Teil der Wohnung, wahrscheinlich im Schlafzimmer, brannte Licht.
    Ein paar Sekunden stand er völlig regungslos da und lauschte angestrengt.
    Dann trat er aus dem Schrank und ging in die Küche.
    Claire war sicherlich im Schlafzimmer und versuchte immer noch zu begreifen, was vor sich ging, zu gepeinigt von Trauer und Schmerz, um schlafen zu können.
    Sie war wach und allein.
    Das war das Beste – dass sie wach war. Wenn es nur bei uns beiden bleibt .
    In der Küche versuchte er, sich zwischen einem Ausbeinmesser – wahrscheinlich zu biegsam und zerbrechlich – und einem geriffelten Brotmesser mit zwei scharfen Spitzen zu entscheiden.
    Und dann war da natürlich noch das robuste Kochmesser. Hail to the Chef!
    Wollte er, dass sie hier zu ihm in die Küche kam, oder sollte er zu ihr gehen?
    Wo wirst du sterben, Claire?
    Er entschied sich fürs Schlafzimmer. Heute Nacht war schon zu viel schiefgegangen, warum also das Schicksal herausfordern?
    Es würde schnell gehen. Er würde darauf achten, keine Geräusche auf dem Weg ins Schlafzimmer zu machen, und wenn er eintrat, wäre sie völlig überrascht und vor Angst gelähmt. Ihre Kehle wäre wie zugeschnürt. Für einen

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