Opferschrei
wollte, was er wirklich brauchte, doch das Verlangen war immer gegenwärtig, und er schaffte es nur manchmal, seinen Zwang im Zaum zu halten. Nach und nach fingen seine Willenskraft und seine Selbstverleugnung an zu bröckeln, und während der vergangenen Jahre hatte er sein Bedürfnis akzeptiert und gelernt, wie er seine Opfer mit gespieltem Interesse und falscher Freundlichkeit einlullen konnte.
Bald hatte er festgestellt, dass es so ähnlich war, wie einen Köder auszulegen, eine Art Intelligenz-Wettkampf, bei dem seine Gegner kaum eine Chance hatten zu gewinnen. Er hatte gelernt, es zu genießen. Es fühlte sich wie damals an, als er in den Wäldern von Minnesota auf die Jagd gegangen war – die Beute aufspüren, sie aufscheuchen, sie sich zu eigen machen. Der einzige Unterschied, den er ausmachen konnte, war, dass er jetzt in New York jagte und es sich bei der Beute um Frauen handelte. Zwischen seinen Jagdzügen ging er gerne direkt zu willigen Opfern, die den Schmerz gegen Geld aushielten. Es war, wie Vögel in einem Käfig zu jagen.
Erst letzte Woche war er in einem Club gewesen – obwohl er den ganzen Tag Möbel geschleppt hatte, waren seine Energiereserven und sein Bedürfnis immer noch groß genug – und hatte sein gutes Aussehen und seine Verführungskünste dafür eingesetzt, eine junge Frau namens Tina dazu zu bringen, ihn mit in ihre Wohnung zu nehmen.
Lars lächelte, als er an Tinas vertrauensvolles, rundes Gesicht dachte und an ihren drallen Körper, der sich als noch üppiger entpuppt hatte, nachdem sie BH und Strumpfhose ausgezogen hatte. Tina mochte es etwas härter – zumindest glaubte sie das. Lars hatte ihr gezeigt, was hart bedeutete, nachdem er sie gefesselt und geknebelt hatte und sie ihm den Rest der Nacht ausgeliefert gewesen war.
Sein Lächeln war so breit geworden, dass ein entgegenkommendes Pärchen, Schwuchtel , ihn anstarrte, als er den Gehweg entlangging. Er erinnerte sich an Tinas vergebliche Befreiungsversuche und an ihre Hilferufe, die Angst und den Schmerz in ihren Augen, aus denen schließlich Resignation wurde. Immerhin war sie es, die sich das eingebrockt hatte, sagten ihre Augen, nachdem Lars es ihr geduldig immer und immer wieder erklärt hatte. Es war nicht allzu schwer gewesen, sie das glauben zu machen; sie war schon vorher mit Schuldgefühlen beladen gewesen.
Sie war gerne auf seine Annäherungsversuche eingegangen und hatte ihm sogar erzählt, dass sie auf Bondage & Discipline stand, auf harten Sex mit ein bisschen Schmerzen. Mündliche Befehle und die Peitsche waren in Ordnung, solange sie sparsam eingesetzt wurde. B&D und S&M. Sie hatte nicht erwähnt, welches von beidem sie mehr mochte. Ihr Fehler.
Am Morgen hatte er Tina losgebunden und gefragt, ob sie mit ihm frühstücken gehen wollte, aber sie war nur unbeholfen vom Bett gekrochen, mit schmerzenden, steifen Gliedern, hatte sich in eine Ecke gekauert und ihn ungläubig angestarrt.
Lars hatte gelacht, und während er sich angezogen hatte, hatte er ihr gesagt, was für eine dumme Schlampe sie war. Er drehte sich nicht nach ihr um, als er aus der Wohnung ging. Es würde ihn nicht überraschen, wenn er sie wiedersehen würde; vielleicht würde sie sogar nach ihm suchen. Bei manchen von ihnen war das so, nachdem man sie einmal auf ein höheres Level mitgenommen hatte. Sie mussten immer höher und höher hinaus, und Lars war bereit, mit ihnen den ganzen Weg bis in den Himmel zu fliegen, damit sie ihrer Hölle entkamen. Nach einer Weile bettelten sie geradezu darum. Sie flehten und versprachen ihm ihre Seele. Was sie wollten, das hassten sie, doch ihr Problem war, dass sie es noch mehr liebten. Es war wie eine Drogensucht.
Was ihn daran erinnerte, dass er durchdrehte, wenn er nicht bald irgendwoher Stoff kriegen würde.
Er versuchte, an etwas anderes zu denken, während er im Morgengrauen durch die Straßen wanderte und nach einer Gelegenheit Ausschau hielt.
Das andere, an das er dachte, war Claire Briggs.
Sie war genau der Typ Frau, auf den Lars stand: schwach und hilflos, durch und durch weiblich, natürlich unterwürfig, sobald man ihnen den Weg gezeigt, sobald man sie in den Arsch getreten und auf den Weg geschubst hatte. Und sie lebte allein. Sie war Schauspielerin, und wahrscheinlich würde sich herausstellen, dass sie eine reiche Familie im Hintergrund hatte, wenn er ihr erst einmal beigebracht hatte, wie man schnorrte.
Claire Briggs. Auf jeden Fall lohnenswert.
Am Eingang eines Restaurants
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