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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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fiel unter Quinns bösem Blick in sich zusammen. »Oh, in Ordnung. Es geht darum.« Er hielt eine zusammengefaltete Zeitung hoch, die er mitgebracht hatte.
    »Ist das die Times ?«
    »Die Voice .«
    »Hab mir schon immer gedacht, dass Sie ein typischer Abonnent sind.«
    Renz zuckte mit den Achseln. »Die Poesie in meiner Seele.« Er warf die Zeitung auf die gläserne Tischplatte des Couchtischs. »Das Interessante in dieser Ausgabe ist eine weitere Fortsetzung der Anna-Caruso-Saga.«
    »Die Zeitungen mögen ihre Geschichte«, entgegnete Quinn. »Das kann ich verstehen.«
    »Dann sollten Sie auch das hier verstehen: Je mehr sie ihre Geschichte mögen, desto weniger mögen sie Sie. In diesem speziellen Stück sind Sie der Bösewicht. Sie haben ein altes Foto von Ihnen abgedruckt, auf dem sie direkt nach Ihrer Vernehmung aus der Polizeiwache kommen. Sie scheinen wütend und sehen so aus, als ob sie gleich Ihren Hosenladen öffnen würden.«
    Quinn kannte die Aufnahme. Der Fotograf hatte ihn erwischt, wie er die Steintreppe hinunterstieg und seine Arme dabei schwang. Seine rechte Hand, die ungefähr einen halben Meter von seinem Körper entfernt war, als das Bild geschossen wurde, wirkte auf dem zweidimensionalen Papier so, als würde sie an seinem Hosenladen herumfummeln.
    Für ein paar Sekunden fühlte er wieder die Ungerechtigkeit seiner Situation, die alte Sinnlosigkeit und Wut. Ich bin ein Opfer meiner eigenen guten Absichten – könnt ihr Idioten das nicht sehen? Er war nie so naiv gewesen zu glauben, dass das Unrecht, das ihm widerfahren war, zwangsläufig irgendwann wiedergutgemacht werden würde, aber er hatte nicht damit gerechnet, dass sein Selbstmitleid ihn derart gefangen nehmen und erdrücken würde.
    Er merkte, dass Renz über den Ausdruck auf seinem Gesicht lächelte.
    »Ich dachte, das wäre Ihr Teil der Abmachung«, sagte Quinn. »Mich von der Anklage wegen Vergewaltigung zu befreien, die nie erhoben wurde.«
    »Und deshalb nicht fallengelassen werden kann«, meinte Renz.
    Und Quinn wusste, dass die Vorwürfe niemals fallengelassen worden wären, wenn sie ihn vor Gericht gestellt hätten, auch wenn er keine Schuld trug. Jeder Cop wusste, dass die Wahrheit meist das erste Opfer war, das bei einem rechtlichen Verfahren dran glauben musste. Eine Zeitlang hatte er das vergessen und teuer dafür bezahlt. Und er zahlte noch immer. Renz wusste, dass er völlig ausgelaugt war und aus Verzweiflung handelte.
    Was Quinn nicht ahnte, war, das Renz ihn für schuldig hielt. Deshalb war er überhaupt erst zu ihm gekommen. Um einen Perversling wie den Night Prowler zu schnappen, musste man so denken wie er, sich in sein Gehirn hineingraben, so sein wie er. Und wer könnte das besser als ein Seelenverwandter?
    Ein Perversling jagt einen anderen Perversling.
    »Ich habe verfolgt, wie die Medien mit der Sache umgehen«, meinte Renz. »Ohne damit angeben zu wollen, bin ich so etwas wie ein Experte, was die Presse in dieser Stadt betrifft.«
    »Das glaube ich Ihnen gerne«, sagte Quinn.
    »Es fängt zwar gerade erst an, aber so wie es aussieht, machen sie aus dem heldenhaften, schwer gebeutelten Ex-Cop, der eine zweite Chance bekommt, bald einen lüsternen Tyrannen mit Polizeimarke, der noch einmal auf die Öffentlichkeit losgelassen wird. Und alles auf Kosten eines hübschen jungen Dings, das beim Gedanken an Sie erzittert und obendrein sehr fotogen ist.«
    »Sie erzittert beim Gedanken an jemand anderen.«
    »Ja, das wissen wir beide« Renz schüttelte traurig den Kopf. »Aber wir wissen auch, dass sich so lange nichts daran ändern wird, bis Sie einen Zahn zulegen und diesen Wahnsinnigen schnappen, der glückliche Ehepaare im besten Alter um die Ecke bringt.«
    »Sind Sie deshalb hergekommen? Um mir Feuer unterm Hintern zu machen?«
    »Könnte man so sagen. Oder ist das gar nicht nötig?«
    Quinn berichtete von ihren Fortschritten. Obwohl es sich selbst in seinen Ohren nicht nach Fortschritten anhörte.
    »Sie haben so gut wie nichts.«
    »Wir haben ein paar Puzzleteile …«
    »Einen Scheiß haben Sie! Sie …«
    »Okay, okay!« Die Geste, die Quinn mit seiner geballten Faust machte, war so bedrohlich, dass Renz sich ohne ein weiteres Wort wieder im Sofa zurücksinken ließ.
    »Wir haben ein paar Puzzleteile, die noch nicht ganz zusammenpassen. Der Anfang eines Musters, eines Bildes, das langsam Form annimmt. So ist das immer bei solchen Fällen. Sie sind derjenige, der sich mit der Presse auskennt, Renz. Und ich bin

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