Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
Vom Netzwerk:
was nicht völlig untypisch für Donald wäre.
    »Lass es uns herausfinden«, sagte sie und nahm den Deckel von der Schachtel.
    Drinnen war noch mehr Seidenpapier. Sie faltete es auseinander und entdeckte den purpurroten Seidenkimono, den sie vor zwei Tagen bei Bloomingdale’s bewundert hatte.
    Aber Donald war nicht dabei gewesen. Hatte sie den Kimono erwähnt?
    »Er ist wunderschön«, sagte sie, während sie den Kimono aus der Schachtel nahm und hochhielt, sodass sie beide ihn bewundern konnten. »Aber woher wusstest du es?«
    »Wusste ich was?«
    »Das ich ihn haben wollte, dann aber beschlossen habe, dass er zu freizügig ist für den Preis?«
    »Woher hätte ich das wissen sollen?«
    »Weil du ihn bei Bloomingdale’s bestellt hast.«
    Er stellte sich neben sie und berührte den glatten Stoff. »So sehr ich auch versucht bin, es als mein Werk zu verkaufen, Mary, muss ich dir leider sagen, dass er nicht von mir ist.«
    Sie schaute zu ihm auf. Er schien die Wahrheit zu sagen. Und warum sollte er leugnen, den Kimono gekauft zu haben, jetzt wo sie ihn angenommen hatte?
    »Er muss von einem heimlichen Verehrer sein«, sagte er. Er sah nicht so aus, als würde er scherzen.
    »Ein Verehrer mit einem Schlüssel?«
    »Sieht ganz danach aus. Oder er hat den Portier bestochen, damit er ihn reinlässt.« Diese Möglichkeit bewog ihn, zum Telefon zu gehen.
    Mary legte den Kimono über die Schachtel und starrte ihn an, während sie zuhörte, wie Donald im Hintergrund den Portier befragte.
    Als er zurückkam, sagte er: »Niemand wurde in unsere Wohnung gelassen.«
    »Wenn der Portier bestochen wurde«, meinte Mary, »dann lügt er vielleicht.«
    »Er hat sich nicht so angehört, als würde er lügen«, entgegnete Donald. Er sah Mary mit gerunzelter Stirn und zusammengekniffenen Augen an. »Bist du sicher, dass du ihn nicht bestellt und es dann vergessen hast?«
    »So etwas würde ich nicht vergessen, Donald. Außerdem würde das nur den Kimono erklären, aber nicht, wie er in unsere Wohnung gelangt ist.« Vielleicht hast du ihn bestellt und es dann vergessen? Jeder hatte seine kleinen Macken; vielleicht war das eine von Donalds Macken – geheimnisvolle Geschenke. Vielleicht hatte er den Portier angewiesen, den Lieferanten einzulassen, und hatte nur so getan, als würde er unten anrufen. Vielleicht waren die Blumen auch von ihm gewesen. Rosen, ein seidener Kimono … Ein Ehemann konnte schlimmere Fehler haben. »Auch wenn du ihn mir nicht geschenkt hast«, sagte sie, »vielen Dank.«
    »Bedank dich nicht für etwas, das ich nicht getan habe.« Sein Ärger schien echt zu sein. »Der Kimono ist genauso wenig von mir wie die Rosen, die du hier gefunden hast, bevor wir eingezogen sind.«
    »Meinst du, wir sollten die Schlösser austauschen lassen?«
    »Wir sollten darüber nachdenken.« Während ich abwarte, ob noch mehr mysteriöse Geschenke nach deinen Shopping-Ausflügen auftauchen. Er hatte gedacht, er wüsste alles über Mary, auch wenn sie erst seit einem Jahr ein Paar waren. Vielleicht lernte er gerade eine neue Seite an ihr kennen. Vielleicht hatte sie eine heimliche Affäre. Sofort verwarf er den Gedanken wieder. Schließlich hatte sie ihm von den Rosen erzählt.
    Wenn sie kaufsüchtig war oder eine Kleptomanin und krank, dann konnte ein Arzt ihr sicher helfen.
    Aber er musste es wissen.
    Was, wenn er einen Privatdetektiv damit beauftragte, ihr bei ihren Shopping-Touren zu folgen um zu sehen, ob sie sich irgendwie komisch verhielt? Er sollte es in Erwägung ziehen.
    Wenn Mary krank war, dann wollte er ihr helfen. Und wenn es einen anderen Grund für die unerklärlichen Geschenke gab – erst die Blumen, jetzt der Kimono –, dann wollte er diesen auf jeden Fall wissen.
    *
    Renz saß auf dem durchgesessenen Sofa in Quinns Wohnung und blickte sich um, während er auf seiner Unterlippe herumkaute.
    »Sie haben hier ja wahre Wunder vollbracht«, sagte er. »Bei jedem Besuch sehe ich Verbesserungen. Ist das ein neuer Lampenschirm? War die Wand schon immer moosgrün gestrichen? Und bilde ich es mir nur ein oder sind die Kakerlaken kleiner?«
    »Sie haben gesagt, Sie hätten etwas Wichtiges mit mir zu besprechen«, sagte Quinn und staunte, dass der Mann vor ihm sein Freund und Beschützer im NYPD sein sollte und nicht sein Feind. Auf welchen Schwachsinn hatte er sich da nur eingelassen?
    »Man spricht hier von Flohmarktcharme, oder?« Renz hielt sich offensichtlich für ganz besonders witzig. Dann schaute er schuldbewusst und

Weitere Kostenlose Bücher