Opferschrei
dem, was er da tat, abzuhalten.
»Denken Sie noch mal drüber nach, Milford. Tun Sie es nicht, bitte!«
Er schien jetzt Angst zu haben, aber sich nicht im Geringsten zu schämen. Das kam Milford komisch vor, wenn er sich vorstellte, wie verstört er an Luthers Stelle gewesen wäre. Wie falsch.
Nun, Milford hatte sich über Luthers Vergangenheit informiert. Was hatte der Mistkerl während seiner Zeit auf der Straße wohl alles gelernt?
Und jetzt an Cara weitergegeben?
Milford war fertig damit, die Patronen in ihre Kammern zu schieben, und schloss geschickt das Gewehr. Man hörte ein kaltes, metallisches Klacken – so effizient, ein hartes, unpersönliches Material, genau für seine Zwecke geschmiedet, ganz anders als Fleisch.
Er konnte den Sex jetzt riechen und spürte die Hitze und Feuchtigkeit. Das bestärkte ihn in seinem Vorhaben. Er entsicherte die Waffe.
»Das können Sie nicht tun, Milford!«, sagte Luther. Er zog sich hastig die Hose hoch und fing an, sein Hemd zuzuknöpfen.
»Du bist Abschaum«, sagte Milford ruhig. »Abschaum, der es nicht verdient zu leben.«
Cara saß immer noch zusammengekauert auf dem Bett. Sie hatte ihre nackten Arme um ihren Kopf gelegt und wimmerte.
Luther fing jetzt an zu flehen, schien aber immer noch nicht bereit aufzugeben, als ob er ein paar Asse im Ärmel hätte, mit denen er Milford vielleicht doch noch umstimmen konnte. »Denken Sie darüber nach, Milford! Ich meine, denken Sie wirklich darüber nach!«
»Ich denke darüber nach. Du auch?
»Ja. Es tut mir leid! Ich entschuldige mich dafür. Und ich meine es wirklich ernst! Lassen Sie mich gehen? Versprechen Sie mir, dass Sie Cara nicht wehtun? Das ist alles, um was ich Sie bitte!«
»Nein und nein.« Milford hob das Gewehr an seine Schulter und blickte den langen Doppellauf entlang, dem Ende von allem entgegen.
Luther stolperte jetzt in Richtung Tür. In der einen Hand hielt er seine Schuhe, mit der anderen Hand versuchte er, den Knopf seiner Jeans zuzumachen.
»Ich war ein Narr!«, schrie Milford ihn an. »Und du hast mich hintergangen! Du hast mich hintergangen! Abschaum! Elendiger Abschaum !«
Milford drückte den Abzug für den linken Lauf. Der rechte war für Cara. Die nächste Ladung würde ihm gehören. Der Hammer klickte auf die Patrone, aber das Gewehr feuerte nicht.
Luther flüchtete zur Tür hinaus, ohne sich dabei umzublicken. Er gab ein absurdes Bild ab, wie er gleichzeitig hüpfte, sich duckte und versuchte, sich vollends anzuziehen. Erstaunt drückte Milford den Abzug für die rechte Kammer.
Nichts. Noch ein Aussetzer.
Die Patronen mussten zu lange im Schrank gelegen haben. Sie waren wohl zu alt.
Milford brüllte und schleuderte das Gewehr gegen die Tür, die Luther hinter sich zugeknallt hatte.
Er hörte, wie Milford brüllte und das Gewehr gegen die Tür krachte, bevor es zu Boden fiel. Doch Luther wurde nicht langsamer. Er rannte die Treppe hinunter und in Richtung Haustür. Er stieß gegen Schränke und schleuderte Stühle zur Seite. Hinter ihm fiel etwas zu Boden und zerbrach. Genau wie sein Leben.
Dann war er endlich draußen. Er rannte über die Holzveranda, die Stufen hinunter ins warme Licht.
Weg!
Das Leben auf der Straße hatte Luther ein paar harte Lektionen erteilt, und als er vor ein paar Wochen das Gewehr im Schrank entdeckt hatte, hatte er sich versichert, dass es ungeladen war, bevor er es wieder an seinen Platz hinter den Kleidern gestellt hatte. Auch das halbe Dutzend Patronen, die er auf dem Regalbrett gefunden hatte, hatte er wieder in ihre Schachtel zurückgelegt, doch nicht ganz so, wie er sie vorgefunden hatte. Vorher hatte er die Schrotkugeln und das Pulver entfernt.
Es war eine Vorsichtsmaßname, die ihm das Leben gerettet hatte.
Doch was sollte er jetzt tun? Die Sonne war gerade untergegangen, und die dunkler werdende Straße lag absolut ruhig und menschenleer vor ihm. Einzig das Zirpen der Grillen war zu hören. Einen Block weiter die Straße hinunter sah er die Scheinwerfer eines Autos die Kreuzung überqueren, doch das war die einzige Bewegung, die er wahrnahm. Luther war sich sicher, dass niemand gesehen hatte, wie er das Haus verlassen hatte, oder etwas von dem Tumult in dessen Inneren gehört hatte.
Sein Herz hämmerte und er schwitzte. Schweiß brannte ihm in den Augen und trübte seinen Blick. Er tupfte seine Augen mit seinem Hemdsärmel ab, dann wischte er sich mit dem Handrücken über den Mund. Er schmeckte Cara. Cara!
Sollte er zurückgehen und
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