Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
Vom Netzwerk:
zurückgeschleift hatte.
    Sie liebt Spielchen, oder? Und es passt doch auch, oder?
    Er wusste, wie es mit einer Tussi, die so reich war, lief; sie hatte eine schicke Wohnung, in der sie ihr normales Leben führte, und eine zweite Wohnung in Greenwich Village, in der sie die Art von Frau war, die sich von jemand abschleppen ließ, um das zu bekommen, was sie brauchte. Ein Ort, an dem sie wirklich sie selbst sein konnte.
    Er sah zu, wie ihr Taxi im Verkehr verschwand, dann schaute er wieder auf das große, moderne Gebäude hinter dem Portier in seiner strahlenden Uniform. Er hätte sie gerne wiedergesehen, aber so gut, wie diese Luxusfestung vermutlich gesichert war, würde er es niemals schaffen, in ihre Wohnung zu gelangen. Und ihre Wohnung in Greenwich Village besuchte sie wahrscheinlich nicht allzu oft. Sie hatte bestimmt einen großartigen Job und musste vorsichtig sein. Also blieb ihm nichts anderes übrig als zu versuchen, sie auf der Straße zu treffen. Vielleicht lief er ihr aber auch in einem der Clubs über den Weg.
    Er war sich sicher, dass sie in ihrem Elend zusammen glücklich sein konnten, zumindest für eine Weile.
    Sie konnte sich ihn und seine schlechten Angewohnheiten leisten. Sie hatte, was er brauchte, und sie würde bereit sein, es ihm geben.
    Dafür würde er sorgen.

28
    »Du siehst, was das Problem ist, Romulus«, sagte Victory Wallace, der ein Sandsteinhaus auf der West Eighty-Ninth Street renovierte. Seine Kunden waren ein wohlhabender Öl-Großhändler und seine Frau, die aus der Türkei nach New York umsiedelten. Das alte Gebäude hätte sich bestimmt nie träumen lassen, dass so etwas geschehen würde.
    Sie befanden sich im Badezimmer im zweiten Stock, ein großzügiger Raum mit beigen Fließen an den Wänden, Marmorboden und Marmorwaschtischen. Die Duschkabine, die groß genug war, um sechs Personen zu beherbergen, hatte unzählige vergoldete Duschköpfe, die in alle möglichen Richtungen wiesen. Zwischen die geätzten Glasscheiben der Tür waren Blätter gepresst, die aussahen wie handgeschriebene Liebesbriefe. An der Decke hing ein goldener Kronleuchter, den man eher in der Halle eines saudi-arabischen Palasts erwartet hätte als in einem Badezimmer in der West Side. Doch irgendwie hatte Victory Wallace (dessen richtiger Name Victor Padilla war) es geschafft, dass alles passend erschien. Aber genau das war sein Talent.
    Ein weiteres Talent war das Diven-Gehabe, das er zu einem Teil seiner professionellen Persönlichkeit gemacht hatte. Romulus war daran gewöhnt und ignorierte es, auch wenn er Victory dafür bewunderte, wie er es zu seiner eigenen Vermarktung einsetzte. Außerdem erinnerte es ihn an Marlene Dietrich, die er ganz gern mochte.
    »Was ich meine, Romulus, ist, dass meine Klienten unter extremem Druck stehen und fest entschlossen sind, nächste Woche einzuziehen, und bis dahin muss alles absolut perfekt sein. Du siehst das Problem, mein lieber Freund, oder ?«
    Romulus schnippte einen Fussel vom Ärmel seines schwarzen Armani-Anzugs und nickte.
    Victory, der den gehetzten Blick eines Rehs am Anfang der Jagdsaison aufgesetzt hatte, starrte ihn an, als ob er mehr erwartet hätte. »Meine Klienten wollen, dass etwas mit diesem furchtbaren Stahl-Stützpfeiler getan wird. Sie bestehen darauf. Aber es handelt sich um einen tragenden Pfeiler. Wir können ihn nicht einfach entfernen!« Er war ein schlanker Mann mit einer Wespentaille und trug enge Designer-Jeans zu einem schiefergrauen Hemd mit Pumpärmeln. Manchmal hatte er eine rote Baskenmütze auf. Bei den exorbitanten Preisen, die seine Kunden zahlten, war es manchmal nötig, ihnen eine solch extravagante Maskerade zu bieten. »Ich meine, ein dicker Stützpfeiler mitten im Badezimmer! Er sieht aus wie ein Abflussrohr aus dem oberen Stockwerk, etwas, in dem menschliche Exkremente vorbeirauschen!« Er verzog sein Gesicht zu einer Fratze und streckte die Zunge heraus. »Du verstehst, worum es hier geht, oder ?«
    »Verpack ihn«, schlug Romulus vor.
    Victory presste eine Handfläche gegen die Stirn, als ob er einen Migräneanfall hätte. »Nein, nein, wir haben die Gipsstaub-Phase längst hinter uns gelassen, Romulus. Wir können nicht zurück. Keine Zeit.«
    Romulus warf einen Blick auf die vergoldeten Wasserhähne und die absichtlich freiliegenden Rohre unter den Marmor-Waschbecken, die ebenfalls vergoldet waren. Vulgär. Übertrieben. »Du hast gesagt, der Pfeiler sieht aus wie ein Abflussrohr. Versuch nicht, ihn zu verstecken,

Weitere Kostenlose Bücher