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Opferschrei

Opferschrei

Titel: Opferschrei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Lutz
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Romulus war für den Feinschliff zuständig, nachdem die normalen Maler ihre Arbeit getan hatten, wobei er normalerweise vom Dekorateur einen Schlüssel erhielt, um in die Häuser oder Wohnungen zu kommen. Er zog es vor, alleine zu arbeiten, ohne dass jemand ihn beobachtete oder störte. Er mochte es nicht, wenn andere ihm Vorschläge machten oder ihm dumme Fragen stellten.
    Nachdem er in seine Eigentumswohnung zurückgekehrt war, die er so hatte umbauen lassen, dass sie seinen beruflichen Bedürfnissen gerecht wurde, verlor Romulus keine Zeit. Er sammelte die Utensilien zusammen, dann stellte er sich an seine Werkbank und fing an, vorsichtig die Farbe zu mischen. Er fügte immer nur wenige Tropfen hinzu und hielt dann inne, um die Vier-Liter-Farbdose in den elektrischen Farbmischer einzuspannen, der an der Werkbank festgeschraubt war. Der Mischer imitierte perfekt die Handbewegung eines professionellen Barkeepers, der einen Martini mixte, nur dass er den Inhalt der Dose schneller und mit mehr Kraft schüttelte. Er fügte Blattgold hinzu. Dafür benutzte er dünne Latexhandschuhe und löste vorsichtig winzige Flocken vom Trägerpapier, die wie goldener Schnee in die Farbdose schwebten. Nach jedem Mischvorgang machte er ein paar Pinselstriche auf einem Rohr, dass die gleiche Beschaffenheit hatte wie der stählerne Stützpfeiler in dem Sandsteinhaus. Dann legte er das Rohr vor einen Heizlüfter, der die Farbe innerhalb weniger Minuten trocknete.
    Er brauchte fast drei Stunden, bis er die richtige Rezeptur gefunden hatte, aber das Ergebnis war magisch.
    Romulus würde Victory bei seinem Auftrag aus der Patsche helfen. Im Gegenzug dafür würde Victory die Rolle spielen, die ihm so gute Dienste leistete, und vor seinen Kollegen – darunter die gefragtesten und teuersten Dekorateure von ganz New York – mit der Innenausstattung des Sandsteinhauses herumprahlen. Es würde gut für Romulus und sein Geschäft sein.
    Für seine Kunst.
    Seine Arbeit war mühselig. Er erledigte sie mit Werkzeugen, die er größtenteils selbst hergestellt hatte, und mit kleinen, feinen Pinseln. Sie schenkte ihm die Art von innerer Hochstimmung und tiefer Befriedigung, die auch da Vinci empfunden haben musste.
    Es war die zweithöchste Stufe des Hochgefühls, die Romulus erreichen konnte.
    Lars Svenson saß an seinem Tisch im Munchen’s und studierte die Brünette am Ende der Bar. Sie war krankhaft dünn und ihre dunklen Augen brannten, wenn sich ihre Blicke im Spiegel hinter der Bar trafen.
    Es gab einige Dinge an der Frau, die er, abgesehen von ihrer Magerkeit und ihren Augen, mochte. Zum Beispiel ihre Art, auf dem Barhocker zu sitzen, die Beine umeinandergeschlungen, einer der schwarzen Pumps kurz davor, vom Fuß zu fallen. Die Art, wie sie von Zeit zu Zeit einen hoffnungslosen Blick in ihren Drink warf, wissend, dass er sie beobachtete. Sie muss es wissen. Die dunklen Blutergüsse auf ihren Armen und an den Seiten ihres Halses.
    Ganz besonders faszinierten ihn die Blutergüsse am Hals.
    Als er sein Glas nahm und sich auf den Hocker neben ihr setzte, schien sie nicht sonderlich überrascht. Warum auch? Schließlich war das der Grund, aus dem sie hier war. Aus dem alle Frauen hier waren.
    Der Club der Verlierer.
    »Bist du öfters hier?«, fragte er und schenkte ihr ein verhaltenes Lächeln. Nicht zu schnell in die Vollen gehen.
    »Ich bin mir nicht sicher, ob man das so sagen kann«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen.
    »Ich bin Lars.«
    »Ich bin ziemlich am Arsch, Lars.«
    »Harte Nacht?«
    »Noch nicht. Ich bin noch auf der Suche.«
    »Vielleicht kann ich dir helfen.«
    »Glaubst du wirklich, du weißt, was ich brauche?«
    Er drehte sie auf dem Hocker zu sich, sodass sie ihn ansehen musste. Dann schenkte er ihr sein schönstes Lächeln. »Ich weiß genau, was du brauchst. Und ich kann es dir geben.« Er bedeutete dem Barkeeper, ihnen frische Getränke zu bringen.
    Ihre dunklen Augen ruhten auf ihm. Schwarze Seen der Verzweiflung. »Trinken wir was zusammen und lernen uns besser kennen, bevor wir zu mir gehen?«
    »Wir sollten uns wirklich besser kennen lernen«, sagte Lars. Der furchtbar ernste, furchtbar besorgte Lars. »Du solltest vorsichtig sein. Du könntest jemanden mit nach Hause nehmen, der dir wirklich wehtut.«
    »Ich versuche es.«
    *
    Um Mitternacht hatte er sie mit gespreizten Armen und Beinen gefesselt und sie windelweich geprügelt. Es gefiel ihr noch immer.
    Um halb eins hatte er ihr Geheimversteck in einem ausgehölten

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