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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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dass Sie ihn nicht leiden mochten. Er ist schließlich nicht der Erste, der ein paar Strippen zieht, um ein Haus genehmigt zu bekommen. Das ist nicht gerade ein Verbrechen allerersten Ranges.»
    «Ich habe ein paar Erkundigungen eingezogen.»
    «Das müsste
ich
doch sagen. Vielleicht hätten Sie ja Kriminalpolizist werden sollen.»
    «Ich wäre sicher gut gewesen», sagte er ganz ernst. «Das soll nicht angeberisch wirken.» Sie mussten beide lächeln.
    «Und was haben Sie herausgefunden?» Sie beugte sich nach vorn, sodass ihre Ellbogen auf den breiten Knien lagen. Ihr Kleid, das seine Peg nicht mal als Geschirrtuch ins Haus gelassen hätte, spannte sich.
    Michael lehnte sich in seinem Sessel zurück und schloss halb die Augen. Das alles wusste er auswendig. Er hatte nur noch nie die Gelegenheit gehabt, es jemandem mitzuteilen. «Mantel ist hier in der Gegend aufgewachsen, in Crill, der kleinen Stadt die Küste rauf. Der Vater war Lehrer. Die Mutter hat bei der Post gearbeitet. Eine nette Familie, nach allem, was man so hört. Aber das hat Mantel nicht gereicht. Er hatte einen kostspieligen Geschmack, schon als junger Bursche. Als er noch zur Schule ging, hat er angefangen, für eine ältere Witwe zu arbeiten, die bei ihm in der Nähe wohnte – ein bisschen Gartenarbeit, Gelegenheitsjobs, Einkaufen. Einen Begleiter, so hat er sich genannt.»
    «Wie reizend.»
    «Das möchte man meinen. Als sie starb, hat sie ihm ihr ganzes Geld vermacht.»
    «Hatte sie denn keine Familie?»
    «Einen Neffen in Surrey. Er hat versucht, das Testament anzufechten, aber das war offenbar einwandfrei.»
    «Mantel hat sie also eingewickelt?»
    «Oder zu Tode erschreckt.»
    Einen Moment lang schwiegen sie beide. Nur das Ticken der gedrungenen Uhr auf dem Kaminsims war zu hören.
    «Damals hat er angefangen, in Immobilien zu investieren. Noch keine zwanzig, da hat er ein paar Reihenhäuser in der Stadt gekauft. Hat sie an Studenten vermietet. Noch ein paar Häuser gekauft. Eins davon ist abgebrannt. Wahrscheinlich ein Defekt in den Stromleitungen, aber es gab keine Beweise, und die Versicherungssumme hat er jedenfalls kassiert. Er hatte Glück, dass niemand im Haus war. Die Universitätsverwaltung war allerdings nicht so glücklich, und er ist dann zu dem Schluss gekommen, dass Studenten nicht die idealen Mieter sind. Zu aufsässig. Beklagen sich gern mal und kennen ihre Rechte. Also hat er angefangen, an Familien zu vermieten, die Wohngeld bezogen.»
    «Massig Spielraum für Betrügereien. Vor allem, wenn das Wohngeld direkt an den Vermieter gezahlt wird.»
    «Genau. Und wenn die Familien knapp bei Kasse waren, hat er ihnen Geld angeboten, um ihnen über die Runden zu helfen.»
    «Wie ich schon sagte», Veras Augen leuchteten, es machte ihr Spaß: «Reizend.»
    «Nicht mehr, wenn es um die Zinssätze ging.»
    Sie sahen sich an.
    «Einiges davon wusste ich schon», sagte sie schließlich. «Ich habe gehört, dass er in Sozialleistungsbetrug verwickelt war, und irgendetwas mit Krediten. Natürlich nicht zu lange. Jetzt ist er ein ehrbarer Geschäftsmann in Sachen Stadtentwicklung. Arbeitet mit den Gemeinden zusammen. Isst jede zweite Woche mit dem Prince of Waleszu Mittag. Fast schon ein Heiliger.» Sie holte Luft, bevor sie fortfuhr: «Ich wusste nur nie, wo er sein Startkapital herhatte. Um das herauszufinden, müssen Sie ganz schön herumgewühlt haben.»
    «Ich bin ein alter Dickkopf, ich gebe nicht so leicht auf.»
    «Da muss aber doch etwas Persönliches hinterstecken. Sie haben doch schon Nachforschungen über Mantel angestellt, bevor er etwas mit Ihrer Jeanie angefangen hat.»
    «Ein bisschen was habe ich davor rausgefunden. Später habe ich es dann ernster genommen.»
    «Wieso haben Sie angefangen zu suchen?»
    «Er hat meine Stellung im Dorf in Frage gestellt. Hat mich wie einen Idioten aussehen lassen. Das konnte ich nicht zulassen. Ich dachte, wenn ich den anderen sage, wo sein Geld herkommt, was für eine Art Mensch er wirklich ist, dann würden sie ihn fallenlassen.»
    «Und, haben Sie es ihnen gesagt?»
    «Ich hatte keine Gelegenheit. Zuerst fehlten mir die Beweise. Und als Jeanie dann bei ihm eingezogen war, hätten alle gedacht, dass es bloß darum geht. Dass ich verbittert bin, weil er meine Tochter vögelt. Dann ist sein kleines Mädchen ums Leben gekommen, und das zählte alles nicht mehr.»
    «Aber Sie haben es Jeanie erzählt?»
    Er nickte. «An dem Nachmittag, als ich die beiden in seinem Auto vor unserem Haus gesehen

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