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Opferschuld

Opferschuld

Titel: Opferschuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Cleeves
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nicht erlauben, den ganzen Sommer über weg zu sein. Peg war selig. Und Veronica stellte sie wieder im Pub ein.»
    «Wie sind Sie miteinander ausgekommen, als sie zurück nach Hause kam?»
    «Besser. Ich dachte, das liegt daran, dass sie weg gewesen war. Sie war nicht mehr so empfindlich. Und vielleicht war ich auf meine alten Tage auch ein wenig umgänglicher geworden.»
    «Aber in Wirklichkeit lag es daran, dass sie verliebt war.»
    Er funkelte sie wütend an, aber dann merkte er, dass sie sich nicht über ihn lustig machte. Ihr Gesicht war alles andere als heiter. Sie sah sehr traurig aus.
    «Ich habe sie zusammen gesehen», sagte Michael. «Sie und diesen Mantel. Er muss sie nach der Mittagsschicht von der Arbeit nach Hause gefahren haben. Sie hat bestimmtgedacht, ich wäre nicht daheim. Sie saßen in seinem Angeberauto. Das Dach war runtergeklappt. Da sind sie regelrecht übereinander hergefallen. Er hatte die Hand unter ihrer Bluse.» Er spürte, dass er rot wurde wie ein kleines Mädchen. «Am helllichten Tag.»
    «Warum hat Sie das so sehr gestört?», fragte Vera. «Ich meine, er war zwar älter als sie, aber er war nicht verheiratet. Und Sie wollten doch, dass sie ein bisschen fröhlicher wird. Damals muss sie einundzwanzig gewesen sein, sie war kein Kind mehr.» Er antwortete nicht, und sie hakte nach: «Sie haben ihn doch erkannt, als Sie die beiden im Auto gesehen haben? Wenn er regelmäßig im
Anchor
war, müssen Sie gewusst haben, wer er war.»
    «Na, und ob ich gewusst habe, wer er war. Der hatte seinen Ruf weg, dieser Keith Mantel. Hat er übrigens immer noch, wo wir gerade über ihn sprechen.»
    «Als was?», fragte sie beiläufig.
    «Als Gauner», sagte er. «Das ist sein Ruf.»
    «Ich habe seine Akte geprüft. Er ist nie wegen irgendetwas angeklagt worden. Es gab ein paar Verkehrsdelikte, er ist mal zu schnell gefahren, aber nichts Ernstes.»
    «Man hat ihn nie erwischt, das ist alles. Wie ich schon sagte, er ist eben ein Gauner.»
    «Und warum sagen Sie das, Mr   Long?» Sie blickte ihn an, und er spürte die Herausforderung in ihren Worten, aber auch das Verständnis. Sie hatte sich ihre eigenen Gedanken über Keith Mantel gemacht. «Was wissen Sie über unseren Keith?», fragte sie jetzt.
    Die Luft in dem vollgestopften kleinen Zimmer schien noch knapper zu werden. Er fühlte, wie seine Brust sich zusammenschnürte, sein Atem ging flach und schnell. Was geschah hier? Diese Frau brachte ihn schmerzhaft zurück ins Leben. Sie war der erste Mensch, mit dem er seitPegs Tod wirklich sprach. Der erste Mensch, der ihn ernst nahm.
    «Er ist ein Süßholzraspler», sagte Michael. «Als er damals hergezogen ist, hat er sie alle hinters Licht geführt.»
    «Nur Sie nicht. Sie haben ihn durchschaut.»
    «Ich hatte da so meine Zweifel.» Er schwieg kurz, wollte sie provozieren, ein bisschen warten lassen. «Da war zunächst mal das Haus. Er war nicht der Erste, der eine Genehmigung beantragt hat, um die alte Kapelle umzubauen, aber die Anträge vorher sind alle abgelehnt worden. Nicht nur wegen der Gefahr einer Überschwemmung oder Erosion. Es gab ja keine Zufahrt, und das Gebiet ist nicht als Wohngebiet ausgewiesen. Nur landwirtschaftliche Gebäude sind erlaubt. Und dieser Palast, den sich Mantel da hingebaut hat, hat mit Landwirtschaft nun wirklich nichts zu tun. Er muss schon ein paar Hände geschmiert haben, um das durch den Bauausschuss zu kriegen.»
    «Sie waren doch bestimmt nicht der Einzige im Dorf, der das komisch fand   …» Sie gab ihm die Stichworte, wie im Theater. Er merkte es, doch es machte ihm nichts aus.
    «Anfangs vielleicht. Dann saß er plötzlich im
Anchor
, schmiss eine Runde nach der anderen. Eine Spende an den Cricket Club, damit die das Dach vom Clubhaus ausbessern konnten. Noch eine an die Dorfschule, damit die sich ein paar Computer leisten konnten. Bald fraßen sie ihm aus der Hand. Und dann hat er noch ein paar Sympathiepunkte bekommen, weil er das kleine Mädchen ganz allein großzog. Dass er unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hier war, haben alle schnell vergessen.»
    «Nur Sie nicht. Sie haben das nicht vergessen.»
    Michael wusste, was sie da tat. Sie wollte erreichen, dass er sich schlau vorkam. Besonders. Und doch genoss er es. «Ich bin nie so recht warm mit ihm geworden. Er hat sichsogar in den Gemeinderat wählen lassen. Wir hatten nicht dieselben Ansichten.»
    Sie ließ es erst einmal dabei bewenden. «Sie müssen noch einen anderen Grund dafür gehabt haben,

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