Opfertod
er belustigt, »und ich sehe gerade, dass die SMS von Charly stammt. Seit wann simst du denn mit unserem Archivar?«, fragte er amüsiert. Hektisch versuchte Brandt, sich aufzurichten. »Bitte leg das zurück!«
Drescher dachte gar nicht daran. Er hielt das Handy in die Höhe und machte sich einen Spaß daraus. Doch das Lachen verging ihm, als seine Augen die Kurzmitteilung überflogen. Dann sah er entgeistert zu Rebecca Brandt. »Das glaube ich jetzt nicht – so ist das also gelaufen!« Mit einer ruppigen Handbewegung riss er ihr die Augenbinde herunter.
»Äh, was?« Sie blinzelte ihn überrascht an.
»Ich fasse es nicht!« Wutentbrannt schlug er gegen das Bettgestell.
»Wo… wovon redest du da?«, stammelte Brandt.
»Jetzt tu nicht so scheinheilig – natürlich von Dr. Dobellis Akte!« Er warf Rebecca Brandt einen enttäuschten Blick zu, ehe er schnaubend seine auf dem Boden verstreuten Sachen aufklaubte.
»Kein Grund, gleich so aus der Haut zu fahren«, versuchte Brandt zu beschwichtigen. Drescher schenkte ihr keinerlei Beachtung. Er schlüpfte in seine Hose und seine Lederschuhe, zog sein Hemd über und knöpfte es rasch zu. »Wann, sagtest du, kommt deine Putzfrau?«
»Morgen früh, wieso?«, fragte sie irritiert.
»Hat sie einen Schlüssel?«
»Ja, schon, aber was soll die Fragerei?«
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, nahm Drescher sein Jackett und eilte zur Tür.
»Hey, hast du nicht was vergessen?«, rief Rebecca Brandt ihm hinterher und klapperte mit ihren Handschellen am Bettgestell.
Plötzlich blieb Drescher im Türrahmen stehen und kam erneut auf sie zu. »Ach, richtig.« Er nahm sein Handy vom Nachttisch und machte wieder kehrt. Brandt starrte ihm mit versteinerter Miene hinterher. »Hey! Was hast du vor – mach mich auf der Stelle los!«
Drescher legte die Schlüssel für die Handschellen auf die Kommode neben der Tür. »Erzähl das deiner Putzfrau, die ist es gewohnt, den Dreck wegzumachen.«
»Heee! Das kannst du nicht machen! KOMM ZURÜCK !«
Doch Drescher lief stoisch weiter und schlug die Tür zu ihrer Wohnung hinter sich zu.
45
Samstagmorgen, 14. Mai
Die Doppelhaushälfte, in der Wulf Belling wohnte, befand sich in einer bei Tage belebten Straße unweit des S-Bahnhofs Friedenau.
Es war nicht eines der schönsten Anwesen in der Straße, doch Belling fühlte sich dort sehr wohl. Auch wenn der Haussegen dieser Tage wieder einmal gewaltig schiefhing. Das Gekeife seiner Tochter war bis auf die Straße zu hören. »Du nennst mich eine Lügnerin!?«, rief Marietta aus ihrem Zimmer.
»Und was ist das hier?« Wulf Belling stand auf dem Flur und hielt einen Beutel Marihuana in die Höhe.
»Ich fasse es nicht, du hast mein Zimmer durchsucht!« Sie raufte sich die pflaumenfarbenen, zu einem strengen Pagenkopf geschnittenen Haare, während sie in ihrem Zimmer auf und ab lief.
»Was hätte ich denn machen sollen, du erzählst mir ja nichts mehr!«, konterte er und steckte den Beutel wieder ein.
Mariettas mit schwarzem Kajal umrandete Augen verengten sich. »Mensch, Papa, das Zeug ist doch uralt! Ich hab dir doch gesagt, dass ich längst die Finger davon gelassen habe – genauso wie von allem anderen auch!« Die Enttäuschung über sein Misstrauen stand ihr buchstäblich ins Gesicht geschrieben. Belling wollte gerade ansetzen, etwas zu sagen, als sein Handy auf der Anrichte klingelte. Seine Augen sprangen unentschlossen zwischen seiner Tochter und dem Telefon hin und her, auf dem ein Anruf von Lena Peters angezeigt wurde. Sie hatte ihn bereits mehrfach zu erreichen versucht, doch nach seinem Treffen mit Helena am Vorabend hatte er nicht die geringste Lust gehabt, noch mit irgendeiner Menschenseele zu kommunizieren. Er entschied, das Gespräch jetzt anzunehmen. »Ja, Belling hier … Was?! Großer Gott!«, stieß er entsetzt aus und hielt sich das Handy ans linke Ohr. Er sah auf seine Uhr und nickte. »In zwanzig Minuten – bis gleich«, beendete er das Telefonat.
»Was denn? Ein Anruf, und die Diskussion ist schon wieder beendet?«, rief Marietta, die beleidigt auf ihrem Bett lag und durch die offene Zimmertür zusah, wie er seine Jacke überzog. »Mehr hast du dazu nicht zu sagen?«
Belling nahm seine Autoschlüssel von der Anrichte und sah mit schlechtem Gewissen zu seiner Tochter. »Hör zu, wir unterhalten uns später, ja?«
Seine Tochter schleuderte wütend ein Plüschkissen in seine Richtung. »Ich bin dir doch scheißegal, genau wie Mama!«
»Marietta, du weißt, dass
Weitere Kostenlose Bücher