Opfertod
Schläuchen und Gefrierbeuteln in einem großen Karton verstaute. Gemmy stand der Schweiß auf der Stirn, als er die verschieden großen Sägen sah, die Artifex in den Karton packte, ehe er diesen davontrug. Getrieben von einer unbändigen Neugier, trat er auf Zehenspitzen aus dem Schrank und folgte Artifex in sicherem Abstand zum dunklen Lieferwagen, den er vor dem Trödelladen abgestellt hatte. Im Schutz der Mülltonnen beobachtete er, wie Artifex den Karton auf die Ladefläche verfrachtete, zurück in den Trödelladen lief und wenig später mit weiteren Kartons zurückkam. Gemmy brannte förmlich darauf, zu erfahren, was er damit vorhatte. Und als Artifex ein weiteres Mal im Laden verschwand, nutzte er die Gelegenheit, um leise auf die Ladefläche des Lieferwagens zu steigen. Er schnappte sich eine alte Decke und verschanzte sich hinter einem der Kartons im hinteren Teil der Ladefläche. Kurze Zeit später hörte er, dass die Hecktüren des Lieferwagens geschlossen wurden und sich der Wagen mit einem lauten Rattern in Bewegung setzte.
48
Lena verstaute die Pistole in der Schlafzimmerkommode. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie bereits spät dran war. Rasch warf sie einige Sachen in ihre Reisetasche. Sie nahm sicherheitshalber etwas mehr mit, da sie nicht absehen konnte, wie lange sie in Edinburgh bleiben würde. Sie hatte den Reißverschluss ihrer Reisetasche gerade zugezogen, da klingelte ihr Handy. Unwillkürlich zuckte Lena zusammen. Zu ihrer Erleichterung zeigte das Display keinen unbekannten Teilnehmer an, sondern Volker Drescher. Wie sie der Anrufliste bereits entnommen hatte, hatte Drescher in den vergangenen Tagen bereits mehrfach versucht, sie zu erreichen. Obwohl ihr durchaus bewusst war, dass sie Drescher über den Anruf des Killers informieren sollte, machte sie keinerlei Anstalten, den Anruf anzunehmen. Zu groß war das Misstrauen, das sie nach allem, was geschehen war, gegen den Leiter der Mordkommission hegte. Ihr Handy war noch nicht lange verstummt, da klingelte der Festnetzapparat im Flur. Lena schüttelte nur seufzend den Kopf, ohne dem Klingeln Beachtung zu schenken. Noch während sie mit der Tasche in der Hand in den Flur lief, sprang der Anrufbeantworter an.
»Hier ist der Anschluss von Lena Peters. Ich bin derzeit nicht zu erreichen – wenn Sie nach dem Piepton Ihren Namen und Ihre Telefonnummer hinterlassen, rufe ich gerne zurück.«
»Hier spricht Volker Drescher. Kommen Sie, Peters, gehen Sie schon ran – ich weiß doch, dass Sie da sind.« Lena nahm ihren Reisepass von der Anrichte und steckte ihn ein. Drescher konnte sie mal!
»Mir ist inzwischen klargeworden, wie Sie auf die schwachsinnige Idee kommen konnten, meinen Schreibtisch zu durchsuchen«, hörte sie ihn weiter sagen. Lena glaubte ihm kein Wort. Sie schritt auf das Telefon zu und war kurz davor, die Löschtaste zu drücken, ohne Drescher zum Ende kommen zu lassen, da horchte sie plötzlich auf.
»Rebecca Brandt hat Ihnen diesen Floh ins Ohr gesetzt, Dr. Dobelli sei während der laufenden Ermittlungen verschwunden. Hören Sie, Peters, das ist kompletter Unsinn. Ich würde Ihnen das gerne erklären. Brandt hat unseren Archivar Charly dazu gebracht, ihr Dr. Dobellis Ermittlungsakte stillschweigend auszuhändigen, und sie hat diese anschließend in meinen Schreibtisch gelegt.«
Wie angewurzelt stand Lena im Flur und starrte ungläubig zum Telefon. »Ach ja, und woher wollen Sie das wissen?«, flüsterte sie.
»Ich habe eine SMS gelesen, die das eindeutig belegt«, hörte sie ihn fortfahren, als hätte er ihre Frage gehört. »Charly hat Brandt die Akte besorgt, und sie hat ihm dafür ein bisschen Bares gegeben. Peters, ich schwör’s Ihnen, ich hatte keine Ahnung, was da vor sich ging. Aber ich sage Ihnen etwas: Brandt war eifersüchtig auf Sie. Und Sie sind ihrer Intrige auf den Leim gegangen. Und nun seien Sie nicht so ein verdammter Dickkopf und gehen Sie endlich ran!«
Ein Durcheinander an Gedanken wirbelte durch ihren Kopf, während Lena wie in Zeitlupe ihren Trenchcoat von der Garderobe nahm.
»Was halten Sie davon, wenn Sie in mein Büro kommen und wir uns noch einmal in Ruhe über alles unterhalten?«, schlug Drescher vor.
Als sie noch immer nicht ans Telefon ging, legte er schließlich auf. Lena schloss einen Moment lang die Augen, um ihre Gedanken zu sortieren. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto mehr Sinn ergaben Dreschers Worte in Bezug auf Brandts Eifersüchteleien. Der Drescher hält
Weitere Kostenlose Bücher