Opferzeit: Thriller (German Edition)
nicht so gut«, sagt er.
»Kletter nach hinten«, sagt Melissa.
»Ich … ich glaub, das schaff ich nicht mehr.«
»Doch, das schaffst du. Mach schon.«
Er beginnt über die Sitzbank zu klettern. Er ist zur Hälfte drüben, als er zu ihr aufblickt. »Ich fühl mich nicht so gut«, wiederholt er und beweist dann, wie wenig gut er sich fühlt, indem er bewusstlos zusammenbricht.
»Was hast du mit ihm angestellt?«, fragt die Frau.
»Er schläft nur«, sagt Melissa, dann zerrt sie ihn in den hinteren Teil des Wagens.
»Was hast du mit uns vor?«
»Gib mir deinen Führerschein«, sagt Melissa.
»Warum?«
»Weil ich nett darum gebeten habe«, sagt sie.
Die Fahrerin klappt die Sonnenblende herunter. Ihr Führerschein steckt dort oben in einer Tasche. Sie reicht ihn nach hinten. Melissa betrachtet das Foto. Es ist fünf Jahre alt. Sie blickt auf den Namen und auf die Adresse. Trish Walker. Wohnhaft in Redwood.
»Stimmt die Adresse noch?«
»Ja.«
»Okay, Trish«, sagt Melissa. »Anstatt dir jetzt alles zu erklären, passt du unterwegs gut auf, dann wirst du dir schon einen Reim auf alles machen können.«
»Wohin fahren wir?«
»Du hast einen Zeitplan, schon vergessen? Halte dich einfach daran.«
Melissa zieht ihr Handy heraus. Trish fährt los. Melissa wählt eine Nummer, die nicht existiert, und redet dann mit einer Person, die nicht da ist. Trish wartet an einer roten Ampel, die zehn Sekunden später auf Grün umspringt.
»Ich bin’s«, sagt Melissa. »Ich geb’ dir jetzt die Adresse durch.« Sie liest laut die Adresse auf dem Führerschein vor. »Hast du das? Jetzt wiederhol es für mich.« Sie lauscht auf die Stille, während die Adresse nicht wiederholt wird. »Nein, ich hab gesagt sechzehn, nicht vierzehn. Wiederhole es noch mal«, sagt sie, weil sie weiß, dass solche kleinen Details für noch mehr Glaubwürdigkeit sorgen. »Jetzt stimmt’s«, sagt sie.
Sie legt auf.
Trish ist bleich geworden. Sehr bleich.
»Okay, Trish, inzwischen dürfte dir wohl klar sein, dass du in einem ziemlich tiefen Loch steckst, und deine Kinder mit dir. Stell dir einfach vor, dass sich das Loch langsam über dir schließt, überall um dich herum ist Erde, und du hast nur eine einzige Chance, dich zusammen mit deinen Kindern wieder dort herauszuwühlen. Also, ziehen wir am selben Strang?«
»Was hast du mit ihnen vor?«
»Wenn du mir hilfst? Nichts. Absolut nichts. Aber wenn du nicht tust, was ich sage, nun ja, dann wird es interessant.«
Trish nickt. Melissa blickt über die Schulter zu Jimmy. Es gibt hier drinnen nicht allzu viele Plätze, um einen bewusstlosen Körper zu verstecken, aber es wird schon irgendwie gehen. Doch zunächst muss sie ihm die Uniform ausziehen. Die wird sie selbst brauchen.
»Ich will von dir wissen, ob wir am selben Strang ziehen«, sagt Melissa.
»Wir ziehen am selben Strang«, bestätigt Trish.
»Gut«, sagt Melissa, »denn wir müssen unterwegs noch ein paar Dinge klären. Wir beginnen, indem du mir dein Handy gibst – denn so ein Ding in den falschen Händen kann unter Umständen dafür sorgen, dass dein Loch noch ein ganzes Stück tiefer wird.«
Kapitel 56
Der Polizeikonvoi, der den leeren Transporter eskortiert, ist nirgendwo vor uns zu sehen. Es ist, als würde ein Geist in die Stadt eskortiert. Was natürlich nicht der Fall ist. Es ist ein Täuschungsmanöver. Es müssen sich eine Menge Leute vor dem Gerichtsgebäude versammelt haben, vermutlich rechnet die Polizei mit Schwierigkeiten, also schmuggeln sie mich durch einen Nebeneingang hinein. Wir erreichen den Stadtrand. Kurz darauf nähern wir uns dem Stadtzent rum. Wir können Leute hören. Viele Leute. Wir fahren durch das System von Einbahnstraßen, das zu den Gerichtssälen führt.
»O mein Gott«, sagt Kent.
Ich blicke aus dem Fenster. Es ist mir gelungen, nicht ohnmächtig zu werden, wofür ich eigentlich einen Orden verdiene. Demonstranten säumen die Straße vor dem Gerichtsgebäude. Sie brüllen auf den Polizeikonvoi ein, der, wie ich jetzt sehe, ein Stück vor uns fährt. Er wird von einem Meer von Menschen umschlossen. Viele von ihnen tragen Plakate, aber ich kann die Aufschrift nicht entziffern. Immerhin ist es eine Erleichterung zu wissen, dass diese ganzen Leute hierhergekommen sind, um mich zu unterstützen. Niemand will, dass ich bestraft werde. Dazu bin ich einfach zu liebenswert. Ich war damals einfach nicht ganz Herr meiner selbst. Aber eigentlich bin ich ein unschuldiger Mensch, von unbewussten
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