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Opferzeit: Thriller (German Edition)

Opferzeit: Thriller (German Edition)

Titel: Opferzeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Cleave
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mich um, dann … dann bringe ich mich um.«
    Fiona legt einen Arm um sie, und Melissa unterdrückt das Verlangen, ihn abzuschütteln und sie zu erschießen. Die meisten Personen im Raum haben sich jetzt nach vorne gebeugt.
    »Stella«, sagt Raphael, und Melissa nimmt eine Hand an ihr Gesicht, während Fiona sie noch etwas fester umklammert.
    »Ich muss mal auf Toilette«, sagt sie und taucht unter Fionas Arm hindurch, steht auf, reibt sich den Bauch und geht auf die Rückseite der Halle zu. Die Teilnehmer fangen alle gleichzeitig an zu reden. Und sie kann Schritte hören, die ihr folgen. In der Toilette spritzt sie sich Wasser ins Gesicht, um das Make-up zu verschmieren, damit es so aussieht, als hätte sie geweint. Da betritt Fiona den Raum.
    »Alles in Ordnung, Schätzchen?«
    »Mir geht’s gut«, sagt Melissa und wischt sich das Gesicht ab.
    »Sind Sie sicher?«
    »Ja.«
    »Raphael meinte, dass wir für heute besser Schluss machen«, sagt sie. »Alle machen sich Sorgen um Sie, und ich habe das Gefühl, dass Sie nicht die Erste sind, die weinend auf die Toilette rennt. Soll ich Ihnen einen Kaffee holen? Oh«, sagt sie und schaut auf Melissas Bauch. »Vielleicht besser ein Wasser?«
    »Mir geht’s gut.«
    »Die anderen reden darüber, am Montag demonstrieren zu gehen«, sagt ihre neue beste Freundin. »Sie wollen zum Gerichtsgebäude fahren, um die Wiedereinführung der Todesstrafe zu fordern. Ich würde auch gerne hin, aber ich glaube, dass ich es nicht tun werde. Eigentlich sollte ich ja, aber … aber ich glaube, das ist alles zu viel für mich. Keine Ahnung, ob das irgendeinen Sinn ergibt. Tut es das?« Und ohne eine Antwort abzuwarten, stellt sie ihre nächste Frage. »Kann ich Sie zu Ihrem Wagen begleiten?«
    »Ich möchte mich erst mal frisch machen«, sagt Melissa.
    »Es macht mir nichts aus zu warten.«
    »Mir geht’s gut«, sagt sie. »Wirklich, bitte, machen Sie sich meinetwegen keine Gedanken. Ich glaube, ich … ich möchte ein bisschen allein sein.«
    »Natürlich«, sagt Fiona. »Ich weiß, wie Sie sich fühlen.« Sie öffnet die Tür, bleibt stehen und dreht sich noch mal um. »Ich habe wirklich keine Ahnung, ob mir das hier irgendwas gebracht hat«, sagt sie, »aber ich denke, dass ich nächste Woche wiederkomme. Werden wir uns wiedersehen?«
    Melissa nickt.
    »Vielleicht möchten Sie ja Ihren Mann mitbringen«, sagt Fiona.
    »Werd ich tun.«
    »Okay, wir sehen uns später«, sagt sie, als beide Frauen aus der Toilette treten. Einige Teilnehmer suchen ebenfalls die Toilette auf, andere verlassen gerade den Saal, und Raphael stapelt Stühle. Ein paar Leute trinken Kaffee. Und jeder, der an Melissa vorbeikommt, bleibt stehen, um mit ihr zu reden, um sich nach ihrem Wohlbefinden zu erkundigen. Sie erklärt ihnen, es gehe ihr gut. Einige der Teilnehmer unterhalten sich über die Demonstration am Montag. Melissa hat ihre Jacke über dem Stuhl hängen lassen und geht hinüber und auf Raphael zu.
    »Ist alles okay mit Ihnen?«, fragt Raphael, und aus der Nähe riecht er nach Aftershave mit Moschusduft, und er erinnert sie entfernt an ihren Vater – allerdings an eine attraktivere Version von ihm. Und dabei merkt sie, wie sehr sie ihre Eltern vermisst.
    »Tut mir leid wegen meines Gefühlsausbruchs«, sagt sie.
    »Das mit Ihrer Schwester tut mir leid.«
    »Das mit Ihrer Tochter tut mir leid.«
    Raphael nickt. Keine Frage, es tut ihm ebenfalls leid. Er stapelt weiter Stühle, allerdings so, dass er ihr nicht den Rücken zukehrt.
    »Haben Sie sich je ausgemalt, wie es wäre, dem Mann, der sie umgebracht hat, etwas anzutun?«, fragt Melissa.
    Raphael stellt den Stuhl, den er gerade hochgehoben hat, wieder ab. Dann umklammert er mit beiden Händen die Rückenlehne und schaut sie an. »Ich möchte Sie etwas fragen«, sagt er. »Warum sind Sie hier?«
    »Warum sind die anderen hier?«, fragt sie. »Weil sie Verständnis suchen. Und um etwas für sich abzuschließen.«
    »Mit so was schließt man nie ab«, sagt er. »Oft findet man nicht mal Verständnis.« Er starrt sie an, sie starrt zurück, und sie ist beeindruckt, wie gut er das Dunkle hinter seinen Augen verbergen kann, doch trotzdem ist es da. Keine Frage. »Aber so etwas sagen wir eben, weil wir es hören wollen. Ich frage Sie ganz konkret: Warum sind Sie hier? Was ist mit Ihrer Schwester passiert? War sie eines von Joes Opfern?«
    »Ja«, sagt sie, und im selben Moment weiß sie, dass sie damit einen Fehler gemacht hat. Jetzt wird er sie nach dem

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