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Optimum 1

Optimum 1

Titel: Optimum 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Bicker
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Einmal mehr wünschte sie sich, einen eigenen Computer zu haben, aber nach dem Kauf der Canon war damals kein Geld mehr übrig geblieben, und ihre Mutter weigerte sich standhaft, ihr einen zu finanzieren. »Ein Rechner im Haushalt sollte doch nun wirklich genügen«, motzte sie immer wieder. »Ist ja nicht so, dass du wirklich etwas Sinnvolles damit tust, außer dich auf Facebook herumzutreiben.«
    Rica war sich nicht sicher, ob ihre Mutter dieses Argument eigentlich selbst glaubte, aber auf jeden Fall gab es hier keine Aussicht auf Erfolg. Das war einer der Punkte, bei dem Ma wirklich auf stur schaltete.
    So blieb Rica nichts anderes übrig, als auf den Computerraum auszuweichen. Das war der einzige Ort im gesamten Schulgebäude, an dem man Internetempfang hatte. Die Schule hatte kein Wi-Fi eingerichtet, um zu verhindern, dass die Schüler im Unterricht mit ihren Laptops surften. Und Handys wurden ohnehin streng kontrolliert.
    Das einzig Gute war, dass der Computerraum um diese Zeit so gut wie leer gefegt war. Die meisten Schüler gingen in ihre Zimmer, wenn sie surfen wollten, da hatten sie Empfang, und zum freiwilligen Arbeiten kam selbst an dieser Schule um diese Uhrzeit niemand mehr. Die drei Schüler, denen sie gefolgt war, verzogen sich in die hintersten Ecken des Raumes, dorthin, wo nicht mal mehr Fenster waren und sie mit dem Rücken zur Wand saßen. Vielleicht wollten sie auch gar keine Mails abrufen, sondern sich heimlich irgendwelche nicht ganz korrekten Internetseiten ansehen.
    Sie selbst wählte einen Rechner direkt am Fenster und schaltete ihn ein. Während er hochfuhr, kramte sie in ihrer Schultasche nach den Kopfhörern ihres iPods und dem USB-Stick. Es war wohl besser, wenn nicht gleich jeder mitbekam, was sie hier tat und was auf dem Stick war.
    Wie schon bei Torben waren die Audiodateien nach Aufnahmedatum benannt, sodass sie in der Reihenfolge der Aufnahme angezeigt wurden. Nur waren es viel, viel mehr als bei Torben. Demnach zu urteilen, war Jo seit einer halben Ewigkeit in Behandlung gewesen. Rica dachte daran, wie abweisend sich Jo Frau Jansen gegenüber gezeigt hatte. Das war ihr schon an ihrem ersten Tag auf dem Internat aufgefallen. Sie selbst hatte kaum zwei Gespräche mit der Frau durchgehalten, bevor sie wütend geworden war. Kein Wunder, dass Jo eine Abneigung gegen sie gehegt hatte.
    Rica scrollte sich durch die Liste der Dateien. Die ersten Gespräche lagen fast fünf Jahre zurück, da war Jo gerade mal dreizehn Jahre alt gewesen. Es gab nicht allzu viele Aufnahmen aus dieser Zeit, aber doch eine Handvoll. Neugierig geworden stöpselte Rica den Kopfhörer in den Rechner und klickte die erste der Dateien an.
    Klick.
    »Ich werde dieses Gespräch aufnehmen, Josefine, ich hoffe, dir ist das recht. Deine Eltern haben eine entsprechende Erklärung unterschrieben, aber wenn es dir zu unangenehm ist, kann ich es auch lassen.« Vielleicht war es Ricas Einbildung, doch Frau Jansen klang viel ruhiger und irgendwie auch freundlicher als sonst. Mehr so, wie sich Rica eine Therapeutin vorstellte, nicht, wie sie jetzt war – eine Art Inquisitorin.
    »Spielen Sie das Band dann meinen Eltern vor?« Auch Jo klang anders. Total anders. Rica konnte kaum glauben, dass es sich wirklich um ihre Freundin handelte. Natürlich, sie war viel jünger, aber da war auch Angst in ihrer Stimme und Unsicherheit. Dieses schüchterne Mädchen sollte Jo sein? Kaum vorstellbar.
    »Nein. Niemand bekommt die Aufnahme zu hören. Sie ist nur für mich bestimmt, damit ich nicht alles mitschreiben muss und mich ganz auf dich konzentrieren kann. Ist das in Ordnung?«
    Pause.
    »Ich glaube, ja. Das geht wohl in Ordnung.« Wirklich, Jo klang schrecklich. Viel jünger als dreizehn. Beinah wie eine eingeschüchterte Schulanfängerin.
    »Also, Josefine, weißt du, warum du hier bist?«
    Schweigen.
    »Du bist noch nicht lange an unserer Schule, oder?«
    »Nein. Erst seit diesem Schuljahr. Vorher war ich … Vorher habe ich in der Stadt gewohnt.« Jos Stimme war vorsichtig und zurückhaltend. Das hörte sich jetzt viel mehr nach der Jo an, die Rica kannte.
    »Und warum haben dich deine Eltern hier angemeldet, was meinst du?«
    »Ich dachte, ich hätte ein Stipendium bekommen. Deswegen.« Eine Mischung aus Trotz und Überraschung. »Ich hab da so einen Test gemacht, zusammen mit ein paar anderen aus meiner Klasse, und danach haben meine Eltern den Brief bekommen, dass hier ein Platz für mich freigemacht wird. Sie wollten erst nicht,

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