Optimum 1
schönen Sommerspaziergang mit einem netten Jungen machte.
Sie schwiegen beide, auch das fand Rica angenehm. Normalerweise war sie nicht besonders schüchtern, aber sobald sie mit einem Jungen zusammen war, schien ihre Zunge immer irgendwie gelähmt zu sein, und wenn sie ihre Schüchternheit endlich überwand, kam nur Unsinn heraus. Jetzt hatte sie wenigstens ein bisschen Zeit, ihre Gedanken zu ordnen.
Die Kletterwand tauchte vor ihnen auf, war allerdings nicht ganz so verlassen, wie Rica sich das gewünscht hätte. Zumindest war vor Kurzem noch jemand hier gewesen, vermutlich Lars. Ein Werkzeugkasten und eine Kiste voller Handgriffe standen neben der Wand, und von der Wand selbst waren einige Griffe abgeschraubt worden und lagen nun am Boden verstreut herum. Die lange Leiter, die Lars dafür verwendet hatte, lehnte einsam an der Wand, und momentan war niemand zu sehen. Vielleicht machte er auch Pause.
Robin störte sich nicht an den Kletterutensilien, er zog Rica zu einer der Bänke am Rande des kleinen Platzes und setzte sich. Nach kurzem Zögern ließ sich Rica neben ihm nieder. Er hatte ihre Hand losgelassen.
»Dauernd willst du mir ausreden, mit meinen Nachforschungen über Jo weiterzumachen«, unterbrach Rica die Stille. »Wir könnten zur Abwechslung mal über was anderes reden, findest du nicht?«
Zu ihrer Überraschung wurde Robin ein bisschen rot und lächelte verlegen. »Wenn du willst«, meinte er. Er ging aber nicht weiter darauf ein und hatte seinen Blick von ihr abgewandt.
Rica seufzte. »Okay, warum soll ich dieses Mal nicht weitermachen?«
Robin erwiderte nichts, nahm aber wieder ihre Hand. Rica ließ ihn einen Augenblick lang gewähren, dann entzog sie sich seinem Griff.
»Ich dachte, du wolltest mir alles erklären«, forderte sie.
»Ich möchte einfach nicht, dass dir etwas passiert«, murmelte Robin. Rica sah ihn erstaunt an. Er betrachtete seine Schuhspitzen. Sein Haar hing ihm in die Stirn und verbarg seine Augen.
»Was soll mir denn schon passieren? Das Schlimmste, womit man mir bisher gedroht hat, ist, dass sie mich an eine Schule in der Stadt schicken. Aber das heißt ja nicht, dass ich weggehe. Immerhin wohnt meine Mutter hier, also werden sie mich wohl auch irgendwie dulden müssen.« Das war nicht die ganze Wahrheit, und sie spielte die Situation auch bewusst herunter. Rica war längst nicht so unbekümmert, wie sie vorgab.
Robin schüttelte den Kopf. »Ich meine nicht, dass man dich wegschickt. Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden, wie das hier läuft.«
»Nein, habe ich nicht. Du?« Sie hatte genug von der ganzen Geheimniskrämerei.
Wieder schüttelte er den Kopf. »Nein … nein, nicht genau. Ich weiß nur, dass Leuten, die hier zu viele Fragen stellen, noch ganz andere Sachen passieren, als dass man sie auf eine andere Schule schickt. Schau dir Torben an oder Jonas, oder Jo …« Er zögerte. »Das passiert. Jo wollte auch zu viel wissen. Sie hat immer und immer wieder versucht, mit mir zu reden. Über Frau Jansen, über die Schule, über das, was ich weiß.«
Rica blinzelte und suchte nach Worten. »Ich dachte, du weißt überhaupt nichts.«
»Tu ich auch nicht, aber sie hatte herausgefunden, dass ich manchmal für Frau Jansen arbeite. Das hat ihr gereicht, um Fragen zu stellen.«
»Willst du damit sagen, dass Jo wegen ihrer Fragen umgebracht worden ist?« Rica schauderte, auch wenn sie sich natürlich selbst schon so etwas zusammengereimt hatte. »Und Torben?«
»Er ist nicht der Erste, der einfach von hier verschwindet«, murmelte Robin. »Ich habe so etwas schon mal erlebt. Da war ich noch in der Unterstufe. Ein Junge aus meiner Klasse – Felix – ist irgendwie … na ja, durchgedreht. Er hat ziemlich wirres Zeug in seinen Aufsätzen geschrieben, und er hat Artikel in der Schülerzeitung veröffentlicht, in denen etwas von Verschwörungen und so drinstand. Er war ein ausgezeichneter Schüler, und diese Artikel waren brillant. Zwei Wochen später haben sie ihn dann abgeholt, und er ist nicht mehr zurückgekommen.« Er schwieg und hypnotisierte weiterhin seine Schuhspitzen.
»Du meinst, sie haben ihn auch umgebracht?« Ihre eigene Stimme war nur ein Flüstern. Sie verstand nicht so ganz, was er ihr zu sagen versuchte. Niemand brachte Kinder wegen ihrer Aufsätze um, egal wie seltsam diese Schule sein mochte. Oder?
Robin zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Wir haben jedenfalls nie wieder etwas von ihm gehört. Als ich damals bei seinen
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