Optimum 1
Sie wollte sie abschütteln, gewann aber irgendwie nicht die Kontrolle über ihre Muskeln zurück.
»Rica, bist du in Ordnung?«
So eine lächerliche Frage! Am liebsten hätte sie gelacht, aber alles, was sie zustande brachte, war ein schwaches Husten.
»Mensch, freu dich doch!« Plötzlich war auch Janina wieder da und kniete neben Robin im Kies. »Dein Job steht hier doch auch auf dem Spiel. Wenn sie überall herumschnüffelt, was meinst du, wer als Erstes dran glauben darf?« Es schien ihr egal zu sein, dass Rica alles mithören konnte.
»Verpisst euch!«
Janina wich überrascht zurück. »Was ist denn in dich gefahren? Hast du dich etwa von ihr einwickeln –«
»Halt die Klappe und verschwinde, Janina. Ich hab echt keinen Bock mehr auf dich und dein Scheißgelaber!«, fauchte Robin.
Langsam richtete Janina sich auf. »Na gut, wenn du meinst, du müsstest deine kleine Freundin beschützen – dein Pech. Dann weiß ich ja in Zukunft, auf welcher Seite du stehst. Ich glaube nicht, dass Herr Zehnsen davon begeistert sein wird.«
»Herr Zehnsen kann mich mal.« Robin drückte noch mal leicht Ricas Schulter, dann stand er auf. »Du kannst ihm gleich sagen, dass ich keine Lust mehr auf den Job habe.«
»Seit wann?«
»Seit Jo.«
Eine lange Minute verstrich, in der Robin und Janina sich einfach nur anstarrten, so voller Hass, dass es Rica nicht gewundert hätte, wenn Janina gleich ihre beiden Bodyguards auf Robin gehetzt hätte. Doch dann zuckte sie mit den Schultern. »Wie du willst. Aber verlang nicht von uns, dass wir auf dich oder deine Freundin hier Rücksicht nehmen. Manche von uns wissen noch, was Loyalität bedeutet.« Sie drehte sich so heftig weg, dass der Kies unter den Sohlen ihrer Schuhe nach allen Seiten spritzte. »Los, verschwinden wir!« Ihre beiden Schatten folgten ihr den Weg zum Schulhaus hinauf.
Im nächsten Moment kniete Robin wieder an Ricas Seite. »Kannst du aufstehen?« Er griff nach ihren Armen, doch inzwischen hatte Rica wieder genügend Kontrolle über ihren Körper zurückgewonnen, dass sie ihm ausweichen konnte.
»Ich komm schon allein klar!« Ob es nun der Schmerz war oder die langsam wiederkehrende Wut, ihre Stimme war nicht mehr als ein bedrohliches Zischen, und Robin zuckte sichtlich zusammen. Dennoch ließ er Rica nicht los.
»Du bist verletzt, wir sollten zum Schularzt –«
»Lass mich in Ruhe!« Wieder schüttelte Rica seine Hände ab, stemmte sich langsam auf Hände und Knie hoch. Ein Blutstropfen lief warm über ihr Gesicht und fiel direkt unter ihr zu Boden. Rica betrachtete den dunklen, runden Fleck auf dem hellen Kies, und ihr wurde speiübel. Doch sie drängte das Gefühl zurück, atmete tief durch und stemmte sich weiter hoch, in die Hocke und schließlich auf die Beine. Robin beobachtete sie, machte jedoch keine Anstalten mehr, ihr zu helfen. Erst als sie stand, erhob er sich ebenfalls und machte eine kurze Geste, als wolle er wieder nach ihrem Arm greifen, überlegte es sich jedoch gleich wieder anders. Er blieb neben ihr stehen und kaute auf seiner Unterlippe herum.
»Es tut mir leid«, murmelte er. »Ist es arg schlimm?«
Rica schloss kurz die Augen und holte zitternd Luft. Ihre Brust schmerzte wie Hölle, sie konnte immer noch Blut über ihr Gesicht laufen spüren, in ihrem Kiefer schienen mehrere Zähne locker zu sein, und wenn sie sich nicht irrte, hatte sie einen Knöchel verdreht. Doch all die Schmerzen waren nicht so schlimm wie die Wut und die Enttäuschung, die sie erfüllten. Verraten. Von Robin. Den sie zwar für ein wenig ängstlich gehalten hatte, aber doch für ehrlich. Und ganz gewiss nicht in die gleiche Liga wie diese Schläger eingeordnet hätte.
»Frag doch deine Freunde«, stieß sie hervor. »Ist schließlich ihr Verdienst.«
»Das sind nicht meine Freunde.«
»Nein? Es klang aber ganz danach.«
Wieder griff er nach ihrem Oberarm, wieder stieß sie ihn weg. Die Bewegung schmerzte grässlich, und einmal mehr traten Tränen in Ricas Augen. Dieses Mal konnte sie sie nicht aufhalten, sie spürte, wie sie ihre Wangen hinunterliefen und sich irgendwo mit dem Blut vereinten, das wer weiß woher kam. »Lass mich in Ruhe!«, wiederholte sie. »Ich will dich nicht mehr sehen. Du hast mich die ganze Zeit angelogen!«
Er antwortete nicht, aber er konnte ihr auch nicht in die Augen sehen. Sein Blick war auf den Boden gerichtet, und mit einer Schuhspitze malte er Kringel in den Kies.
»Du hast dich mit mir angefreundet, damit du mich
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