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Optimum 1

Optimum 1

Titel: Optimum 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: V Bicker
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Aber das konnte sie Frau Jansen ja schlecht sagen. Sie zuckte nur mit den Schultern. »Ich konnte doch nicht zusehen, wie dieser Junge zu Schaden kommt. Die anderen haben alle nur zugeschaut und nichts gemacht.«
    Jetzt endlich sah Frau Jansen auf, Rica direkt ins Gesicht. Die seltsamen hellblauen Augen erinnerten Rica an die einer Siamkatze, die auf Beute aus war.
    »Und du bist nicht auf die Idee gekommen, einem Erwachsenen Bescheid zu geben?«
    »Das hätte zu lange gedauert.« Außerdem waren Erwachsene da gewesen. Die Angestellten der Schulmensa. Sie hatten sich nicht gerade als besonders hilfreich erwiesen.
    Frau Jansen notierte sich etwas auf einem Zettel, ohne ihren Blick von Rica zu wenden. Das Ganze war fürchterlich irritierend. Rica hatte das Gefühl, durchleuchtet zu werden, wie von dem Röntgengerät beim Zahnarzt. Nur dass ihr das normalerweise nicht halb so unangenehm war. Der süße Duft des Raumsprays lag drückend über dem Raum und machte es Rica schwer, einen klaren Gedanken zu fassen. Sie musste hier raus, bevor sie den Verstand verlor.
    »Hören Sie, wenn ich eine Strafarbeit erledigen soll – okay. Oder nachsitzen, oder was auch immer hier an dieser Schule üblich ist. Ich weiß ja, dass ich mich nicht schlagen soll.« Sie versuchte es mit ihrem patentierten reumütigen Lächeln, aber anders als ihre früheren Lehrer schien Frau Jansen kein bisschen darauf hereinzufallen. Sie notierte nur noch etwas auf ihrem Zettel und blätterte eine Seite in der Akte um. Rica konnte einige Fotos zwischen den Seiten ausmachen und glaubte, auf einem von ihnen ihre Mutter zu erkennen, war sich aber nicht hundertprozentig sicher, und Frau Jansen blätterte gleich wieder weiter.
    »Hast du Geschwister, Ricarda?«
    Rica blinzelte. Wo war die Frage hergekommen? Was hatte das mit der Prügelei in der Kantine zu tun? Sie schüttelte den Kopf. »Nein, ich bin ein Einzelkind.« Und Ma findet, das ist gut so, hätte sie fast hinzugefügt, hielt dann aber doch lieber die Klappe.
    »Und was ist mit deinem Vater? Den wirst du doch wohl haben, oder?« Frau Jansens Siamkatzenaugen verengten sich bei der Frage, obwohl sie sie in einem ganz beiläufigen Tonfall stellte. Rica war sich sicher, dass es jetzt für sie richtig interessant wurde. Aber warum?
    Sie zuckte mit den Schultern. »Sicher habe ich einen Vater. Er hat meine Mutter allein gelassen, als ich drei Jahre alt war. Ich kann mich kaum an ihn erinnern.« Kaum war gut. Sie hatte nicht einmal die diffusen Eindrücke zurückbehalten, die sie aus dieser Zeit von ihrer Mutter hatte. Vielleicht lag das daran, dass sie zwar Bilder ihrer Mutter aus dieser Zeit gesehen hatte, aber kein einziges ihres Vaters. In der ganzen Wohnung hatte es nie welche gegeben, kein Album, kein Hochzeitsfoto, keine Schnappschüsse von Verliebten. Rica hatte früher angenommen, dass ihre Mutter die Bilder alle weggeworfen hatte, weil sie – verständlicherweise – wütend auf ihren Vater war, aber dafür gab es sonst keinerlei Hinweise. Wenn ihre Mutter von ihm sprach, dann war es entweder in einem fast liebevollen Tonfall, als hinge sie immer noch an ihm, oder sehr neutral. Meistens, wenn sie Rica darauf hinwies, was ihrem Vater an ihrem Verhalten gefallen hätte oder nicht.
    »Rica, tu das nicht, was würde dein Vater dazu sagen?« Ja, danke, wenn ich das mal wüsste.
    »Warum hast du dich nicht gewehrt, als dieser Kerl dich verprügelt hat? Dein Vater hätte es genauso gemacht.« Tatsache? Und doch war er feige genug gewesen, die Familie einfach sitzen zu lassen.
    »Du musst nicht immer die Wahrheit sagen. Es gibt Situationen, da ist es besser, gar nichts zu sagen. Dein Vater hat das gewusst.« So wie er nicht gesagt hat, dass er jetzt eben mal verschwinden würde. Auf Nimmerwiedersehen.
    Rica spürte den vertrauten Ärger in sich aufsteigen, wie immer, wenn sie über ihren Erzeuger nachdachte. Die Eltern ihrer Klassenkameraden mochten nicht immer perfekt sein, aber sie hatte sich mehr als einmal gewünscht, zumindest einen Vergleich zu haben.
    »Kennst du den Namen deines Vaters?« Frau Jansens Stimme riss Rica aus ihren Gedanken. Wieder dieser Katzenblick.
    »Warum interessieren Sie sich so für ihn? Soviel ich weiß, hat meine Mutter das Sorgerecht, seit der Kerl verschwunden ist. Glauben Sie mir, es hilft ganz bestimmt nichts, wenn Sie ihn jetzt anrufen und von einer Schulschlägerei erzählen.« Ricas Wut begann überhandzunehmen. Was sollte das alles? Der süßliche Geruch schien

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