Optimum 1
Aussagen – er könne Leute beeinflussen, er wäre etwas Besseres als andere Schüler, er komme sich künstlich vor – nahm Rica nicht ganz ernst. Torben war ihr nicht so wichtig. Jo dagegen schon. Und ihre Aufnahmen waren es, an die Rica herankommen wollte. Unbedingt. Endlich war so etwas wie eine Spur aufgetaucht.
»Wir sollten das Zeug der Polizei geben und ihnen sagen, was wir wissen«, murmelte Eliza halbherzig.
»Was wissen wir denn schon? Dass ein Junge, der jetzt in einer Anstalt ist, glaubt, Menschen auf irgendeine Weise beeinflussen zu können. Dass zwei depressive Schüler Selbstmord begangen haben und dass einer davon vielleicht kein Selbstmord war. Dass der Verrückte und die Depressive sich unterhalten haben.« Rica schnaubte. »Das kommt sicher gut, wenn wir das erzählen. Insbesondere, wenn die Polizei dann hier nachfragt und der Schularzt ihnen erzählt, dass ich depressive Tendenzen habe und mich da in eine fixe Idee hineinsteigere.« Sie schüttelte den Kopf. »Das reicht doch nie, Eliza. Wir brauchen richtige Beweise.«
Eliza sah betreten aus. »Und die willst du ausgerechnet in Frau Jansens Büro finden?«, fragte sie. »Warum dort?«
Rica zuckte mit den Schultern. »Weil sie Jos Sitzungen auch aufgenommen hat, das hat sie doch sogar zugegeben. Wenn wir die Dateien finden könnten und einen Zusammenhang herstellen … Außerdem, wer weiß, was sie noch da hat. Aufzeichnungen, vielleicht sogar die Papiere, die Jo Torben gezeigt hat. Wir müssen doch irgendwo anfangen. Und Frau Jansen ist momentan meine wichtigste Verdächtige.«
»Was ist mit Robin?« Elizas Stimme war sanft, aber bestimmt.
»Was soll mit ihm sein?« Rica blickte stur die Fensterscheibe an. Sie spürte wieder, wie ihr das Blut ins Gesicht stieg.
»Er war auch einer der Letzten, die Jo gesehen haben.« Eliza schien eine diebische Freude daran zu haben, Rica aus dem Konzept zu bringen.
»Robin hat überhaupt keinen Grund gehabt, Jo umzubringen. Er war nicht mal an ihr interessiert.«
»Nur weil sie ihn nicht gewollt hat.«
Rica wurde plötzlich eiskalt. Sie wagte es nicht einmal, den Kopf zu drehen und Eliza wieder anzusehen »Was sagst du da?«
Eliza klang jetzt sehr verlegen. »Das ist eine alte Geschichte«, gab sie zu. »Letztes Schuljahr, also wirklich ungefähr vor einem Jahr, da war Robin mal sehr interessiert an Jo. Er hat immer mit uns rumgehangen. Es war allen klar, was er wollte, aber Jo hat so getan, als fiele ihr das gar nicht auf. Schließlich hat er sie in die Stadt eingeladen, wollte mit ihr ins Kino oder so, und Jo hat ihn ziemlich abblitzen lassen. Robin war sauer. Ich habe ihn noch nie so wütend gesehen. Ein paar Wochen lang hat er Jo geschnitten, und er hat einen nicht ganz freundlichen Artikel über Eliteschüler in die Schülerzeitung gesetzt. Er hat keine Namen genannt – damit wäre er nie durchgekommen –, aber wir haben alle gewusst, dass er sich unter anderem über Jo ausließ.«
Rica kaute auf ihrer Unterlippe herum. Robin und Jo. Yannick und Lena. Ich habe aber auch immer Glück! »Na ja«, meinte sie schließlich und versuchte, sich unbeteiligt zu geben. »Gut, dann muss ich Robin wohl auch zu den Verdächtigen zählen. Aber … Also, drauf wetten würde ich nicht. Das ist doch auch schon lange her, sagst du. Und sie haben sich doch wieder einigermaßen verstanden, oder?«
Eliza nickte. »Einigermaßen.«
»Dann bleibt es dabei: Frau Jansen ist unsere Verdächtige. Und deswegen müssen wir uns ihr Büro ansehen. Am besten noch heute Nacht. Vielleicht hat sie so nicht die Chance, gleich alle Dateien zu löschen. Morgen könnte es zu spät sein.« Rica stürzte sich auf diese Überlegungen, um nur nicht an Robin denken zu müssen. Elizas Blick sagte ihr, dass ihre Freundin sehr genau wusste, was in ihr vorging. Aber sie schwieg dazu glücklicherweise.
»Wir kommen doch da nie rein«, widersprach Eliza. »Das Schulhaus ist nachts abgeschlossen.«
»Ach!« Rica winkte ab. »Meine Ma hat einen Schlüssel. An den komme ich ran.« Sie hatte ihrer Mutter schon Schlüssel geklaut, da war sie noch in der Grundschule gewesen. Gut, es war der zur Speisekammer mit der Keksdose gewesen, aber Übung machte den Meister. »Bist du nun dabei?«
»Meinetwegen.« Eliza seufzte.
Aus einem plötzlichen Impuls heraus umarmte Rica ihre Freundin. »Du bist in Ordnung«, sagte sie und freute sich, als sich auf Elizas Gesicht ein feines Lächeln abzeichnete.
Das Schulgelände war stockdunkel. Lediglich
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